Der Kreuzritter - Das Erbe - Guillou, J: Kreuzritter - Das Erbe - Arvet efter Arn
Reichtum, den die Wälder in den Hundstagen bereithielten, das Richtige auswähle.
Normalerweise hätte Ingrid Ylva mehr Geduld für eine solche Unterhaltung aufgebracht, da sie sich gerne aus Jordas und Vattnas reichem Wissensvorrat bediente. Aber jetzt war sie in Gedanken so sehr bei dem giftmordenden Erzbischof, dass sie abrupt das Thema wechselte und ihr Anliegen vortrug.
Der König sei gestorben, und etliche Leute in seiner Nähe hegten den Verdacht, er sei vergiftet worden. Eine andere Erklärung für seinen plötzlichen Tod gäbe es nicht. Er sei ein starker und gesunder Krieger, erst Anfang dreißig und außerdem nie krank gewesen. Schlechte Menschen hätten dem König nach dem Leben getrachtet, und diese hätten sicherlich die Möglichkeit besessen, sich zu Hause und in fremden Ländern Gift zu beschaffen.
Jorda und Vattna runzelten die Stirn, waren jedoch nicht so entsetzt, wie Ingrid Ylva erwartet hatte. Sie begannen, sich nach den genaueren Umständen des Todes zu erkundigen, ob er Fieber und flüssigen Durchfall gehabt hätte, ob das Weiße seiner Augen zum Ende hin gelb geworden sei und ob er sich zu Anfang erbrochen habe. Soweit Ingrid Ylva wusste, hatte er sich in den ersten Tagen übergeben müssen. Am Schluss habe er dann gefiebert und Blut im Urin gehabt. Ein Mönch habe vergebens versucht, ihn zur Ader zu lassen, woraufhin es nicht zu bluten aufgehört habe, falls dies von Bedeutung sei. Bei diesen Auskünften wurden die zwei alten Schwestern sehr nachdenklich und berieten sich flüsternd. Schließlich ergriff Jorda das Wort.
»Es wirft ein schlechtes Licht auf uns, Ingrid Ylva, dass Ihr Euch mit diesen Fragen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt an uns wendet, zu dem wir mit Pilzen beschäftigt sind und Euch ihre Vorzüge erklären wollen. Denn jemand, der im Fieber und mit Blut im Urin elend stirbt,
könnte durchaus einen giftigen Pilz zu sich genommen haben«, sagte sie langsam und ernst.
»Welche Pilze töten, und wo kann man sie finden?«, fragte Ingrid Ylva neugierig.
»Das ist nicht schwerer, als dass wir noch vor Einbruch der Dunkelheit mindestens zwei tödliche Pilze für Euch finden könnten«, antwortete Vattna.
»Etwa in meinem eigenen Wald? Wächst der Tod direkt vor dem Haus?«, fragte Ingrid Ylva jetzt.
»Ja, gnädige Frau«, fuhr Jorda fort. »Hier in Västra Götaland können wir den weißen Tod zwischen den Heidelbeeren finden. Im Frühling wächst der Tod am Ufersaum, ein Gewächs, das wir Nachtschatten nennen. Aber in Moorwäldern wächst die Heimtückischste von allen Giftpflanzen. Wir nennen sie den braunen Tod. Wer von ihr gegessen hat, ist nicht zu retten.«
»Wie stirbt man denn, wenn man von diesen Pflanzen gegessen hat?«, fragte Ingrid Ylva gespannt.
»Das ist bei allen dreien sehr unterschiedlich«, antwortete Jorda gelassen. »Wer vom Nachtschatten gegessen hat, übergibt sich einige Stunden später, dann bekommt er Fieber, ihn schwindelt, er beginnt zu halluzinieren, es geht ihm immer schlechter, und nach zwei Tagen ist er tot. Wer von dem weißen Tod gegessen hat, erkrankt erst am nächsten Tag. Er bekommt flüssigen Durchfall. Dann wird er wieder gesund und denkt nicht mehr daran. Eine Woche später tut ihm dann alles weh, er hat Blut im Urin, muss sich ins Bett legen und stirbt einige Tage später halluzinierend im Fieber. Der braune Tod ist jedoch der heimtückischste. Wer davon gegessen hat, spürt anfangs nichts und erkrankt erst nach einer Woche. Der Verlauf ist dann ungefähr wie beim weißen Tod mit dem einen Unterschied, dass der Betroffene zum Schluss kein Wasser
mehr lassen kann, der Urin in den Körper läuft und er wahnsinnig stinkt, wenn er stirbt.«
»Gibt es diesen Pilz hier in Västra Götaland?«, fragte Ingrid Ylva mit unverhohlener Aufregung.
»Ja. Wie bereits gesagt«, fuhr Jorda mit derselben unerschütterlichen Ruhe fort. »Hier in Västra Götaland sind sowohl der braune als auch der weiße Tod recht verbreitet. In Schonen und Dänemark gibt es einen Pilz, an dem man auf dieselbe Art stirbt wie an dem weißen Tod, für den wir hier aber keinen Namen haben. Wir können einen kleinen Spaziergang in den Wald unternehmen und werden sie sofort finden, so verbreitet sind sie, der braune und der weiße.«
Ingrid Ylva entschloss sich plötzlich, diese Unterhaltung nicht fortzuführen, da sie bereits gefährlich geworden war. Sie sagte, jetzt habe sie ja einiges in Erfahrung gebracht, worüber sie nachdenken könne. Vielleicht würde sie sich
Weitere Kostenlose Bücher