Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
genauer betrachten. Wie Ihr wisst, wird ein weiterer fränkischer Fürst kommen und einige Zeit hier bleiben. In seiner Heimat wurde er von allen für seinen heiligen Auftrag im Dienste Gottes gesegnet. Er bringt ein großes Heer mit. Was wird er also tun?«
»Sich bereichern, weil er große Unkosten hatte.«
»Genau das, Jussuf, genau das. Aber wird er auch Saladin selbst und Damaskus angreifen?«
»Nein. Dabei würde er riskieren, alles zu verlieren.«
»Genau das, Jussuf. Wir verstehen uns vollkommen und können uns jetzt ohne übertriebene Höflichkeit und Umwege unterhalten, da uns Eure Untergebenen nicht mehr hören. Wohin zieht jetzt der neue Plünderer mit seinem Heer?«
»In eine Stadt, die sich, was Verteidigung und Reichtum angeht, gut eignet, aber ich weiß nicht, in welche.«
»Genau das. Ich weiß auch nicht, um welche Stadt es sich handelt. Homs? Hama? Vielleicht. Aleppo? Nein, zu weit weg und zu stark befestigt. Sagen wir Homs oder Hama, weil das auf der Hand liegt. Was tun daraufhin unser weltlicher, christlicher König in Jerusalem und das königliche Heer?«
»Sie haben nicht viele Möglichkeiten. Sie beteiligen sich an der Plünderung, obwohl sie mit dem neuen Heer lieber gegen Saladin gezogen wären.«
»Genau das, Jussuf. Ihr wisst alles, und Ihr versteht alles. Jetzt wissen wir also beide, wie die Lage aussieht. Was tun wir jetzt?«
»Wir fangen damit an, dass wir erst einmal beide unser Wort halten.«
»Natürlich, das muss gar nicht erst gesagt werden. Aber was tun wir sonst?«
»Wir verwenden diese Stunde des Friedens zwischen uns darauf, einander besser zu verstehen. Vielleicht werde ich mich nie mehr mit einem Templer unterhalten können, und Ihr Euch vielleicht nie mehr mit … einem Feind, wie ich einer bin.«
»Nein, Ihr und ich, wir begegnen uns wohl nur dieses eine Mal im Leben.«
»Eine seltsame Laune Gottes … aber lasst mich eine Frage stellen, Templer: Was außer Gottes Hilfe ist nötig, damit wir Rechtgläubigen euch besiegen?«
»Zwei Dinge. Das eine geschieht bereits: Saladin vereint die Sarazenen gegen uns. Die andere Bedingung wäre erfüllt, wenn es unter uns, auf der Seite Jesu Christi, zum Verrat kommen würde - Falschheit oder schwere Sünden, die dazu führen, dass Gott uns bestraft.«
»Aber wenn es nicht zu dieser Falschheit und zu diesen schweren Sünden kommt?«
»Dann wird nie jemand von uns siegen, Jussuf. Der Unterschied zwischen uns besteht darin, dass ihr Sarazenen eine Schlacht nach der anderen verlieren könnt. Ihr trauert um eure Toten, aber bald schickt ihr eine neue Armee auf den Weg. Wir Christen können nur eine große Schlacht verlieren, und so dumm sind wir nicht, dass wir uns dem aussetzen würden. Sind wir in der Übermacht, greifen wir an, sind wir unterlegen, suchen wir Schutz in unseren Burgen. So kann es ewig weitergehen.«
»Unser Krieg wird also ewig dauern?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Einige von uns … Wisst Ihr, wer Graf Raimund von Tripolis ist?«
»Ja, ich … ich weiß, wer das ist. Und?«
»Wenn solche Christen wie er die Macht im Königreich Jerusalem bekommen und ihr auf eurer Seite einen Führer wie Saladin habt, dann kann es Frieden geben, einen gerechten Frieden, was immerhin besser ist als ein ewiger Krieg. Viele von uns Templern denken wie Graf Raimund. Aber zurück zu dem, was jetzt geschehen wird. Die Johanniter folgten dem königlichen Heer und dem ›Brins‹ nach Syrien. Wir Templer haben das nicht getan.«
»Das weiß ich bereits.«
»Ja, das wisst Ihr zweifellos, weil Ihr Salah ad-Din Jussuf ibn Aijub heißt und der Mann seid, den wir in unserer Sprache Saladin nennen.«
»Gott sei uns gnädig, jetzt, wo Ihr das wisst.«
»Gott ist uns gnädig, denn er hat uns in den letzten Stunden des Friedens dieses seltsame Gespräch geschenkt.«
»Und wir halten beide unser Wort.«
»Ihr versetzt mich mit Eurer Unruhe in diesem Punkt in Erstaunen. Ihr seid der Einzige unserer Feinde, der dafür bekannt ist, dass er immer sein Wort hält. Ich bin Templer. Wir halten immer unser Wort. Genug davon.«
»Ja, genug davon. Aber nun, mein lieber Feind in dieser späten Nacht vor einer Dämmerung, in der wir beide Eiliges zu besorgen haben, Ihr mit Euren stinkenden Leichen und ich etwas, was ich nicht sagen werde, aber was Ihr sicher ahnt, was tun wir nun?«
»Wir halten an der vielleicht einzigen Möglichkeit fest, die uns Gott im Leben schenkt, vernünftig mit dem schlimmsten aller Feinde zu sprechen.
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