Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
obwohl er es vermied, solche frevlerischen Gedanken seinen untergebenen Rittern gegenüber zu äußern. Nach und nach war von den anderen Burgen im Land die versprochene Verstärkung eingetroffen, bis sich die vierzig neuen Ritter innerhalb der Mauern von Gaza befanden.
Weitere wichtige Vorbereitungen bestanden darin, die Wallgräben zu verbreitern und die Stadtmauer zu verstärken. Hier musste der erste Angriff abgefangen werden. Und wenn die Verteidigung zusammenbrach, würden alle Menschen und Tiere in der eigentlichen Burg Schutz suchen. Die zweihundertachtzig Knappen und alle angestellten Zivilisten, sogar die Schreiber und Zöllner, arbeiteten Tag und Nacht an den Befestigungen. Ständig inspizierte der Burggraf die Arbeiten.
Saladin ließ auf sich warten, ohne dass man begriffen hätte, warum. Den Beduinenspionen zufolge, die von Arn in den Sinai geschickt worden waren, hatte Saladin seine Armee in Al Arish zusammengezogen, das etwa einen Tagesmarsch von Gaza entfernt lag. Möglicherweise hatte die Verzögerung etwas mit dem Kriegsverlauf in Syrien zu tun. Die Sarazenen besaßen die bemerkenswerte Gabe, zu wissen, was in entfernten Landesteilen vorging, ohne dass recht klar gewesen wäre, wie sie das anstellten. Die Beduinen in Gaza meinten, dass die sarazenischen Truppen Vögel als Boten verwendeten, aber das war wenig glaubhaft. Die Christen schickten Rauchzeichen von Burg zu Burg, aber Gaza lag zu weit südlich und war in dieses System nicht einbezogen.
Die zurückkehrenden Beduinen schätzten Saladins Armee auf zehntausend Mann, überwiegend mameluckische Reiter. Das war eine furchtbare Neuigkeit. Eine solche Armee war unmöglich in einer Schlacht zu schlagen. Andererseits hatte Arn den Verdacht, dass seine Spione übertrieben, da sie auf neue Aufträge und besseren Lohn hofften, wenn sie schlechte Nachrichten überbrachten.
Nachdem ein Monat vergangen war, ohne dass Saladin angegriffen hatte, machte sich eine gewisse Ruhe in Gaza breit. Man hatte getan, was sich tun ließ, und bereits wieder
Getreide und Vieh an die Bauern ausgegeben, die lamentierend vor den Getreidespeichern der Stadt standen. Die wartenden Bauern waren verärgert, weil sie selbst die Schuldscheine nicht lesen konnten. Da alle sehr ähnliche Namen hatten, kam es ständig zu Verwechslungen.
Der junge Burggraf fand sich häufig bei den Wartenden ein, hörte sich ihre Klagen an und versuchte zu schlichten und Missverständnisse aufzuklären. Allen war klar, dass er keine Beschlagnahme im Sinn gehabt hatte, sondern nur das Getreide vor Plünderern und Brandstiftern hatte retten wollen. Jede Familie sollte so viel bekommen, dass sie damit eine Woche lang leben konnte, ehe sie wieder nach Gaza kommen musste, um neues Getreide zu holen. Auf diese Weise konnten sie bei einer eventuellen Flucht alles Essbare mitnehmen. Dem Feind sollten nur leere Dörfer in die Hände fallen.
In der ruhigeren Arbeitsperiode, die auf die gehetzten und nervösen Vorbereitungen des ersten Monats folgte, nahm sich Arn endlich Zeit für seinen Knappen Armand de Gascogne, der schon glaubte, vom Knappen zum Maurer degradiert worden zu sein. Jetzt holte ihn der Waffenmeister höchstpersönlich und befahl ihm, sich nach dem Abendessen gewaschen und in frischen Kleidern beim Burggrafen einzufinden. Armands Hoffnung erwachte aufs Neue. Seine Möglichkeit, als vollwertiger Bruder aufgenommen zu werden, war durch den bevorstehenden Krieg nicht in Vergessenheit geraten.
Das Parlatorium des Burggrafen lag weit oben im westlichen Teil der Burg. Als sich Armand dort zur vorgesehenen Zeit einfand, traf er seinen Herrn an, der müde war und gerötete Augen hatte, aber trotzdem bemerkenswert milde und ruhig wirkte. Der schmucklose, aber schöne Raum, in den die schrägen Strahlen der Nachmittagssonne
fielen, war einfach möbliert. Auf einem großen Tisch in der Mitte lagen Karten und Dokumente. Ein paar Stühle standen an der Wand, und zwischen den beiden Bogenfenstern mit Blick aufs Meer führte eine Tür auf einen Balkon. Arns weißer Umhang lag über einer Stuhllehne, aber als Armand in der Mitte des Zimmers strammstand, legte er sich diesen um die Schultern. Erst dann begrüßte er Armand mit einer leichten Verbeugung.
»Du hast gegraben und gegraben und fühlst dich jetzt eher wie ein Maulwurf als wie ein Knappe, vermute ich?«, sagte Arn in scherzendem Ton. Armand war sofort auf der Hut. Die hohen Brüder hatten schließlich die Gewohnheit, Fallen zu stellen, selbst
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