Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
Ägypten. Jetzt würde es zum ersten Mal umgekehrt sein: Der Feind würde selbst angreifen. Das ließ sich als Warnung deuten, dass sich die Christen nun eher auf Verteidigung als auf Angriff einstellen mussten. Von nun an hatten die Christen einen Feind, der furchtbarer war als alle Männer, die bisher Schrecken und Zerstörung verbreitet hatten und aus vielen Schlachten siegreich hervorgegangen waren, ohne den Krieg jedoch jemals zu gewinnen, Männer wie Zinki und Nur ad-Din. Keiner von diesen sarazenischen Heerführern hatte sich mit dem Mann messen können, der jetzt das Kommando übernommen hatte, Saladin.
Für den neuen, jungen Burggrafen in Gaza war es eine ungewohnte Aufgabe, sich auf die Verteidigung vorzubereiten. Arn de Gothia hatte in den vergangenen zehn Jahren unzählige Kämpfe im Feld bestanden, aber meist zu denen gehört, die den Feind zuerst angegriffen hatten. Als Turkopel hatte er den Befehl über die türkische Reitertruppe geführt. Diese Söldnertruppe verbreitete mit ihren schnellen Pferden und ihrer leichten Ausrüstung Schrecken unter den Feinden und sorgte für Verwirrung. Im besten Fall drängte sie den Feind zusammen, sodass die schweren, fränkischen Truppen zuschlagen konnten, was für den Feind regelmäßig zu Verlusten führte.
Gelegentlich war er auch mit den schwer bewaffneten Rittern in den Kampf gezogen. Da war es meist darum gegangen, im richtigen Moment anzugreifen, um mit stählerner Faust die Ordnung der berittenen Armee des Feindes zu zerschlagen. Manchmal hatte er auch mit der Reserve zusammen warten müssen, um den entscheidenden Schlag auszuführen und den Seinen zum Sieg zu verhelfen oder um im ungünstigen Fall den Rückzug zu decken.
Er hatte auch zwei Belagerungen erlebt, die erste als Knappe in der Templerburg Tortosa in der Grafschaft Tripolis, die zweite als Ritterbruder in Akkon. Beide hatten sich über mehrere Monate hingezogen, aber jeweils damit geendet, dass die Belagerer ihre Truppen zurückzogen.
In Gaza jedoch erwartete ihn etwas ganz anderes. Hier galt es, sich etwas Neues einfallen zu lassen, denn seine bisherigen Erfahrungen hatten hier keine Bedeutung. Zur Stadt Gaza gehörten etwa fünfzehn Dörfer mit palästinischen Bauern sowie zwei Beduinenstämme. Der Burggraf von Gaza herrschte über all diese Bauern und Beduinen, er bestimmte über ihr Leben und ihr Eigentum.
Es galt, Bauern und Beduinen stets richtig zu besteuern. Nach einer guten Ernte wurden die Abgaben erhöht, nach einer schlechten gesenkt. Dieses Jahr war die Ernte in der Gegend um Gaza ungewöhnlich gut gewesen, im übrigen Outremer jedoch wesentlich schlechter. Das führte zu einem besonderen Problem. Der Burggraf von Gaza verfügte, dass die gesamte Ernte und ein Großteil des Viehs aus den Dörfern nach Gaza gebracht werden sollten. Die Absicht dabei war, alles vor der plündernden ägyptischen Armee zu retten. Doch das war den Bauern nur schwer zu vermitteln, als sich grimmige Templer mit
leeren Karren bei ihnen einfanden. Aus Sicht der palästinischen Bauern schien es so, als habe die Plünderung bereits begonnen. Und für sie spielte es keine Rolle, ob die Plünderer Christen oder Rechtgläubige waren.
Arn verbrachte daher sehr viel Zeit zu Pferd. Er ritt von einem Dorf zum nächsten und versuchte die Lage zu erklären. Er gab sein Wort, dass es sich weder um Steuern noch um Beschlagnahme handelte und dass alles zurückgegeben werden würde, sobald das plündernde Heer wieder verschwunden sei. Er versuchte ihnen klarzumachen, dass der Feind schneller weiterziehen würde, wenn er nichts zu seiner Versorgung fand. Zu Arns Verwunderung wurden seine Worte jedoch in vielen Dörfern angezweifelt.
Er ließ daher eine ganz neue Ordnung einführen. Über jede Ladung Getreide, jede Kuh und jedes Kamel sollte Buch geführt und für alles eine Quittung ausgestellt werden. Das verzögerte den ganzen Prozess, und wenn Saladin früher angegriffen hätte, wäre das die Templer und die Bauern teuer zu stehen gekommen. Langsam, aber sicher verschwanden nun allmählich Vieh und Getreide aus der ländlichen Gegend um Gaza. In Gaza entstand dafür umso größeres Durcheinander: Die Getreidespeicher quollen über, und die Futtertransporte für das Vieh innerhalb der Stadtmauern stauten sich.
Das war der wichtigste Teil der Kriegsvorbereitungen. Im Krieg ging es mehr um die Versorgung der vorrückenden Armee als um die Tapferkeit im Feld. Das war jedenfalls die Meinung des neuen Burggrafen,
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