Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
sie wären vorher schon in sicherer Reichweite der Armbrustschützen gewesen. Ich selbst trug einen doppelten Panzer auf dem Rücken: Ihre Pfeile wären im Filz steckengeblieben und hätten diesen nicht durchbohrt.
Ich wäre einem Igel gleich durch unser Tor geschritten. Das wäre natürlich das Beste gewesen. Jetzt mussten wir uns mit dem Zweitbesten zufriedengeben.«
»Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich das ganz verstehe«, meinte Armand, und die beiden Ritterbrüder lächelten ihn väterlich an.
»Unsere Feinde sind dieses Mal Mamelucken«, erklärte der Waffenmeister. »Da du bald einer unserer Brüder sein wirst, Armand, musst du sie gründlich kennenlernen - sowohl ihre Stärken als auch ihre Schwächen. Ihre Stärken sind ihre Reiterkunst und ihre Tapferkeit, ihre Schwäche sitzt in ihrem Kopf. Sie sind nicht gläubig, ja, nicht einmal ungläubig. Sie glauben an Geister, an die Seelenwanderung von einem Körper zum anderen oder zu Steinen in der Wüste und dass die Tapferkeit eines Mannes seine wahre Seele sei, lauter solche Dinge. Sie glauben auch, dass derjenige, der den größten Mut zeigt, den Krieg gewinnt.«
»Aha«, sagte Armand eingeschüchtert, aber es war ihm anzusehen, dass er immer noch nachdachte.
»Für sie ist die Zahl Drei im Krieg heilig«, fuhr Arn mit der Erklärung fort. »Das ist sogar nachvollziehbar, denn der dritte Schwerthieb beispielsweise ist der gefährlichste. Aber jetzt ist ihr dritter Reiter gefallen. Nun hat der Feind, den sie Al Ghouti nennen, größeren Mut bewiesen als sie alle, deswegen werde ich den Krieg gewinnen und nicht Saladin. Dieses Gerücht wird
zumindest heute Abend in ihrem Lager die Runde machen.«
»Aber wenn sie Euch angegriffen hätten, als Ihr vor dem Tor standet, Herr …«
»Dann wären die meisten von ihnen gefallen. Und diejenigen, die entkommen wären, hätten gesehen, wie ich immer wieder getroffen worden wäre, ohne zu fallen. Dann hätte sich heute Abend die Legende von meiner Unsterblichkeit verbreitet. Ich weiß nicht, was besser gewesen wäre. Jetzt ist Zeit für den nächsten Zug Saladins, und der wird noch vor der Dämmerung erfolgen.«
Arn, der nicht glaubte, dass sofort mit einem weiteren Angriff des Feindes zu rechnen war, schickte mehr als die Hälfte der Verteidiger fort. Sie sollten sich ausruhen und etwas essen. Er selbst ging zurück zur Burg, um die Vesper zu singen und mit den Rittern zu beten, ehe es Zeit für das Abendessen war. Anschließend hatte die Hälfte der Garnison frei, während die andere Hälfte Wache hielt. Immer noch standen die Tore von Gaza herausfordernd offen, aber nichts ließ darauf schließen, dass Saladin die Stürmung der Stadt vorbereitete.
Am späten Abend brachte der Feind stattdessen Bauarbeiter und Karren mit Rädern, schweren Balken und Seilen herbei. Die Arbeiter begannen, ihre Katapulte und Wurfmaschinen aufzustellen, die bald schwere Steinblöcke auf die Mauern von Gaza schleudern sollten.
Arn stand nachdenklich auf der Brustwehr. Er war gekommen, sobald er Nachricht von den Belagerungsmaschinen erhalten hatte. Im Lager des Feindes wirkte alles ruhig. Tausend Feuer brannten um die Zelte herum, und es wurde ganz offenbar gegessen und getrunken. Es sah aus, als hätte Saladin seinen teuren Belagerungsmaschinen und Ingenieuren eine unzureichende Bewachung
mitgegeben, wenige Reiter und nur etwa hundert Fußsoldaten.
Wenn das wirklich stimmte, dann war das eine erstklassige Gelegenheit. Hätte Saladin gewusst, dass sich in der Burg achtzig richtige Templer aufhielten, hätte er das nie gewagt. Wenn Arn den Angriff befahl, waren sie in der Lage, die Maschinen des Feindes zu verbrennen und die Ingenieure zu töten. Aber in der Dunkelheit war es durchaus möglich, eine große Truppe mameluckischer Reiter in Bereitschaft zu halten, ohne dass diese von der Stadtmauer aus zu sehen gewesen wären. Über den Heerführer des Feindes ließ sich vieles sagen, aber wahrlich nicht, dass er dumm war.
Arn befahl, die Zugbrücke hochzuziehen und die Stadttore zu schließen. Der erste Tag des Krieges war vorüber, und es war bisher eher ein Krieg im Kopf als ein Krieg auf dem Schlachtfeld gewesen. Keiner war dem anderen auf den Leim gegangen, und nur ein Mann war gefallen. Nichts war entschieden. Arn begab sich zeitig zum Schlafen, da er den Verdacht hatte, dass dies für lange Zeit die letzte Nacht war, in der an einen richtig guten Schlaf zu denken war.
Nach der Frühmesse stieg Arn wieder auf die
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