Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
Feindes waren. Sein Herr Arn schien aber nicht sonderlich beunruhigt. Als die Parade vorübergezogen war, lächelte er Armand an, rieb sich die Hände und lockerte seine Gelenke, wie er das vor dem Übungsschießen mit dem Langbogen immer tat. Dieser stand im Torturm zusammen mit einem Fass, das über hundert Pfeile enthielt.
»Bisher sieht alles sehr gut aus, Armand, findest du nicht auch?«, sagte Arn aufgeräumt.
»Das ist die größte Feindesarmee, die ich je gesehen habe«, erwiderte Armand vorsichtig. Er fand wahrhaftig nicht, dass es gut aussah.
»Das ist wahr«, meinte Arn. »Aber wir werden mit ihnen nicht unten in der Ebene um die Wette reiten, was sie wahrscheinlich hoffen. Wir bleiben innerhalb der Mauern. Die können sie mit ihren Pferden nämlich nicht überwinden. Saladin hat jedoch seine wahre Stärke noch nicht gezeigt. Diese Parade diente dazu, die eigenen Leute bei Laune zu halten. Seine eigentliche Truppe lässt er erst nach dem, was jetzt kommt, aufmarschieren.«
Arn beugte sich erneut über die Brustwehr, und Armand tat es ihm gleich, da er nicht zugeben wollte, dass er nicht wusste, was als Nächstes geschehen würde.
Es folgte eine ganz andere Reiterdarbietung als eben. Die große Armee war weitergeritten und jetzt damit beschäftigt, abzusatteln und ein Lager aufzuschlagen. Etwa fünfzig Reiter hatten sich wie zum Angriff vor dem Stadttor aufgestellt. Sie hoben ihre Waffen, stießen hohe, gellende Schlachtrufe aus und ritten dann in vollem Galopp und mit dem Bogen in der Hand auf das offene Stadttor zu.
Der Wallgraben ließ sich nur an einer einzigen Stelle überwinden: dort. Im Osten der Stadt war er mit angespitzten Pfählen gesichert, die Ross und Reiter aufspießen würden, falls sie hineingerieten.
Die Gruppe der Sarazenen machte jedoch halt, ehe sie zum Wallgraben gekommen war, und begann eine lautstarke Diskussion. Plötzlich gab einer von ihnen seinem Pferd die Sporen, ritt im Galopp weiter auf das Stadttor zu, ließ die Zügel los und spannte gleichzeitig den Bogen, was nur sarazenische Reiter konnten. Arn wartete vollkommen reglos. Armand schielte zu seinem Herrn hinüber und sah, dass dieser ein Lächeln nicht unterdrücken
konnte. Richtig glücklich wirkte er jedoch nicht. Er seufzte und schüttelte den Kopf.
Der Reiter schoss seinen Pfeil auf Arn, den einzigen weißen Umhang, der auf Gazas Mauern zu sehen war. Das Geschoss sauste dicht an Arns Kopf vorbei, ohne dass sich dieser bewegte.
Der Reiter machte nach Abschießen des Pfeils sofort kehrt und galoppierte zurück. Von seinen Kameraden wurde er mit lauten Rufen begrüßt, und sie schlugen ihm mit ihren Lanzen auf den Rücken. Da machte sich schon der nächste Reiter bereit und kam bald ebenso schnell wie sein Vorgänger heran. Der Schuss verfehlte sein Ziel noch mehr als der erste, aber dafür wagte sich der Reiter viel weiter vor.
Während er um sein Leben zu den anderen jungen Emiren ritt, gab Arn Armand den Befehl, seinen Bogen und Pfeile im Turm zu holen. Armand gehorchte eilig und kam keuchend mit dem Bogen zurück. Da stürmte bereits der dritte Reiter heran.
»Deck mich mit deinem Schild von links«, befahl Arn, nahm seinen Bogen und legte einen Pfeil auf die Sehne. Armand hielt den Schild bereit. Ihnen war klar, dass er warten musste, bis der Reiter näher gekommen war und sich auf den Schuss vorbereitete.
Als der junge mameluckische Emir donnernd den Wallgraben überquerte, die Zügel losließ und den Bogen hob, brachte Armand den Schild in Position und deckte so den größten Teil seines Herren. Dieser spannte seelenruhig seinen großen Bogen, zielte und ließ den Pfeil von der Sehne schnellen.
Arns Pfeil traf den Feind in der Halsbeuge. Er wurde nach hinten auf die Erde geschleudert. Blut strömte aus seinem Mund. Sein Körper zuckte, als er in den Staub
fiel, und man hatte den Eindruck, dass er bereits tot war, ehe er auf dem Boden aufschlug. Sein Pferd setzte seinen Weg durch das offene Stadttor fort und verschwand auf die Burg zu.
»Ihn hatte ich gemeint«, sagte Arn leise zu Armand, als würde er um seinen toten Feind trauern und nicht über ihn triumphieren. »Es war vom Schicksal vorherbestimmt, dass gerade er sterben sollte und dass er heute der einzige Tote bleiben würde.«
»Das verstehe ich nicht, Herr«, sagte Armand. »Ihr habt gesagt, dass ich immer fragen soll, wenn ich etwas nicht verstehe.«
»Ja, es ist richtig, dass du fragst«, erwiderte Arn und lehnte seinen Bogen gegen die
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