Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
Mauer. »Nach dem, was man nicht versteht, muss man fragen, damit man etwas lernt. Das ist besser, als so zu tun, als wüsste man etwas, nur weil man in seinem Hochmut seine Unwissenheit nicht zugeben will. Du bist bald unser Bruder, und ein Bruder bekommt von einem anderen Bruder immer eine Antwort. So verhält es sich: Diese jungen Emire wissen sehr gut, wer ich bin und dass ich als ziemlich guter Bogenschütze gelte. Wer Al Ghouti entgegenreitet, ist also sehr mutig, und wer es überlebt, ist von Gott wegen seines großen Mutes verschont worden. Wer den dritten Angriff reitet, ist nach ihrem Glauben der Mutigste. Niemand wird ein viertes Mal reiten, da man nicht näher herankommen kann als bei den ersten drei Malen. Mut beziehungsweise das, was Rechtgläubige und Ungläubige für Mut halten, ist schwerer zu verstehen als Ehre. Unentschlossenheit ist dasselbe wie Feigheit, glauben viele. Und sieh nur, wie unentschlossen sie da drüben jetzt sind! Sie wollten uns verhöhnen und haben sich jetzt selbst in eine schwierige Lage gebracht.«
»Was werden sie nach dem Tod ihres Kameraden tun? Wie können sie ihn rächen?«, fragte Armand.
»Wenn sie klug sind, tun sie gar nichts. Wenn sie feige sind, verstecken sie sich in der Menge und greifen alle auf einmal an, um seine Leiche zu retten, damit er ein richtiges Begräbnis bekommt. Dann töten wir sie fast alle, denn zu dem Zeitpunkt treten unsere Armbrustschützen in Aktion. Befiehl den Schützen, sich bereitzuhalten!«
Armand gehorchte sofort, und alle Knappen, die sich mit ihrer Armbrust hinter der Mauer versteckten, spannten ihre Waffe und hielten sich bereit, auf den nächsten Befehl hin über der Brustwehr aufzutauchen und einen tödlichen Pfeilregen auf den feindlichen Reitertrupp herabzusenden, falls dieser wirklich angreifen sollte.
Aber die jungen Reiter wirkten zu unentschlossen, um loszuschlagen. Vielleicht ahnten sie auch, dass man sie in eine Falle locken wollte. Die Stadtmauern wirkten aus ihrer Perspektive, als würden sie nur von wenigen türkischen Bogenschützen bewacht. Das war verdächtig ungefährlich und mochte daher wie eine Falle wirken.
Als es nicht länger den Anschein hatte, dass sie angreifen würden, befahl Arn, das inzwischen eingefangene Mameluckenpferd herbeizuführen. Dann ging er die Treppe hinab, nahm das Pferd beim Zügel und führte es durchs Stadttor hinaus. Er blieb erst stehen, als er neben dem Mann stand, den er getötet hatte. Die Mamelucken saßen schweigend auf ihren Pferden und sahen ihn an. Sie waren jeden Moment zu einem Angriff bereit, genauso wie Armand oben auf der Stadtmauer jederzeit dazu bereit war, den Armbrustschützen den Befehl zum Angriff zu geben, sollten die Reiter sich nähern.
Arn wuchtete seinen toten Feind über den Sattel und band ihn sorgfältig mit den Steigbügelriemen fest, damit
er nicht herabfallen konnte. Dann wendete er das Pferd in Richtung seiner Feinde, die jetzt vollkommen verstummt waren, und gab dem Tier plötzlich einen Schlag auf die Hinterbacke. Das Pferd trabte los. Arn machte auf dem Absatz kehrt und ging langsam und ohne sich umzudrehen zurück zum Stadttor.
Niemand griff ihn an, niemand schoss auf ihn.
Als er wieder oben auf der Brustwehr bei Armand war, wirkte er sehr zufrieden und guter Dinge. Sein Waffenmeister war aus der Burg zurückgekehrt, und die beiden schüttelten sich herzlich die Hand und umarmten sich.
Die Mamelucken hatten ihren toten Kameraden in Empfang genommen und ritten langsam fort, um ihn sofort zu begraben, wie es ihre Sitte vorschrieb. Vergnügt sahen Arn und der Waffenmeister hinter der düsteren Schar her.
Armand kam sich sehr dumm vor. Er verstand nicht, warum sein Herr so gehandelt hatte und warum die beiden hohen Brüder so zufrieden über etwas waren, was er selbst für eine Torheit hielt. Es war unverantwortlich, wenn derjenige, der für sie alle die Verantwortung trug, sein Leben so leichtfertig aufs Spiel setzte.
»Verzeiht mir, Herr, aber ich muss noch einmal fragen«, sagte er schließlich, nachdem er lange gezögert hatte.
»Ja?«, erwiderte Arn munter. »Verstehst du mein Verhalten nicht?«
»So ist es, Herr.«
»Du glaubst, dass ich leichtfertig mein Leben aufs Spiel gesetzt habe?«
»Man konnte zumindest den Eindruck bekommen, Herr.«
»Ich habe mein Leben nicht aufs Spiel gesetzt. Wenn sie auf mich zugeritten wären, um in Schussweite zu kommen,
wären die meisten von ihnen gefallen, ehe sie überhaupt hätten zielen können, denn
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