Der Kreuzritter - Verbannung - Tempelriddaren
die in Essig getränkt waren. Die Flüchtlinge warteten in den gemauerten Getreidespeichern, die vorher geleert worden waren, als man die Speicher auf der Burg gefüllt hatte. Die Bewohner der Stadt hielten sich entweder in ihren Häusern auf oder waren als Brandwachen eingeteilt.
Die Stadt Gaza lag auf einem Hügel, der zum Hafen hin steil abfiel. Weit oben lag das Stadttor, sodass jeder Feind beim Angriff auch einen Hügel zu bezwingen hatte. Zwischen Stadt- und Burgtor war die Straße eben wie ein Turnierplatz. Oben auf der Stadtmauer waren türkische Bogenschützen und Knappen in schwarzer Kleidung postiert. Von außen musste die Verteidigung wirklich unzureichend wirken. Das lag daran, dass zweihundert mit einer Armbrust bewaffnete Knappen mit dem Rücken zur Brustwehr saßen und von unten nicht zu sehen waren. Von einem Augenblick zum anderen, sobald Arn den Befehl dazu gab, konnte sich die Verteidigung Gazas verdoppeln.
Arn hatte gehofft, dass sich die feindliche Armee in Gruppen nähern würde und nicht geschlossen. Er hatte sich vorgestellt, dass der eine oder andere ehrgeizige Emir es nicht würde lassen können, seine Kühnheit unter Beweis zu stellen, um sich für diese später von Saladin reich belohnen zu lassen. Zu Beginn eines Angriffs war die Ungeduld immer am größten, und kaum jemand handelte wohlüberlegt.
Wenn die Mamelucken ihre Reiter durch das offene Stadttor geschickt hätten, wäre dieses geschlossen worden, sobald das Gedränge groß genug gewesen wäre, vielleicht
nach etwa vierhundert Mann. Daraufhin hätte man das Burgtor geöffnet, und die Templer hätten die Mamelucken in einer so beengten und beschwerlichen Position angegriffen, dass diese ihre legendäre Schnelligkeit nicht mehr hätten ausnutzen können. Von der Stadtmauer aus hätten außerdem die Knappen auf die Feinde geschossen, die so in der ersten Stunde bereits ein Zehntel ihrer Armee verloren hätten. Doch dies alles war mehr ein frommer Wunsch als ein listiger Plan. Saladin war nicht dafür bekannt, sich leicht überlisten zu lassen.
»Sollen wir unseren Rittern jetzt eine andere Beschäftigung geben?«, fragte der Waffenmeister.
»Ja, aber sie sollten weiterhin in Alarmbereitschaft bleiben. Vielleicht ergibt sich eine andere Gelegenheit«, antwortete Arn, ohne dass aus seiner Stimme Enttäuschung oder Hoffnung herauszuhören gewesen wäre.
Der Waffenmeister nickte und eilte davon.
»Komm«, sagte Arn zu Armand und nahm ihn auf die Brustwehr am Turm neben dem Stadttor mit. Hier waren sie vom Feind unter den Templerfahnen deutlich auszumachen. Arn war der einzige weiß gekleidete Ritter, der sich unter den Verteidigern von Gaza zeigte.
»Was passiert, wenn sie sich nicht in diese Falle locken lassen?«, fragte Armand.
»Erst wird Saladin seine Stärke demonstrieren, und anschließend finden ein paar Waffenspiele statt, die nicht ernst gemeint sind«, antwortete Arn. »Es gibt einen ruhigen ersten Tag, und nur ein Mann wird sein Leben verlieren.«
»Wer?«, wollte Armand wissen und runzelte fragend die Stirn.
»Ein Mann in deinem Alter, ein Mann wie du«, erwiderte Arn in einem beinahe traurigen Tonfall. »Ein tapferer
junger Mann, der glaubt, die Chance zu haben, großen Ruhm zu gewinnen und vielleicht zum ersten Mal an einem großen Sieg teilzuhaben. Ein Mann, der glaubt, dass Gott mit ihm ist, obwohl ihn Gott bereits gezeichnet hat.«
Armand brachte es nicht übers Herz, weiter nach dem Mann zu fragen, der sterben sollte. Sein Herr Arn hatte ihm so geantwortet, als sei er in Gedanken weit weg und als würden seine Worte vielleicht etwas ganz anderes bedeuten, wie das bei den hohen Ritterbrüdern oft der Fall war.
Bald wurde Armands Aufmerksamkeit ganz von einem Schauspiel beansprucht, das sich außerhalb der Mauern abspielte. Wie Arn vorhergesagt hatte, demonstrierte Saladin seine Stärke. Die mameluckischen Reiter paradierten auf schönen, lebhaften Pferden, jeweils fünf nebeneinander. Ihre Kriegsgewänder glänzten golden in der Sonne, und sie schwenkten ihre Lanzen und hoben ihre Bogen, wenn sie an Arn und Armand vorbeiritten. Die Parade dauerte fast eine ganze Stunde, und obwohl Arn sich zum Schluss verzählte, war er sich sicher, dass der Feind über mehr als sechstausend Reiter verfügte. Es war die größte Reiterarmee, die Armand je gesehen hatte. Sie kam ihm vollkommen unbesiegbar vor, nicht zuletzt deshalb, weil alle wussten, dass die goldglänzenden Mamelucken die besten Kämpfer des sarazenischen
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