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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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wie ein Beuteltier aussieht.
    »Das Signal Angreifen und Metzeln«, sagt Moreira César.
    »Das Regiment bläst es seit dem Krieg gegen Paraguay, als es wegen Munitionsmangel mit Säbel, Bajonett und Jagdmesser angreifen mußte.«
    Mit der rechten Hand gibt er das Zeichen zum Aufbruch. Unter Staubwirbeln, die der Wind ihnen entgegentreibt, setzen sich Maultiere, Männer, Pferde, Wagen, Waffen in Bewegung. Bei ihrem Auszug aus Queimadas sind die Einheiten der Kolonne fest geschlossen und unterscheiden sich nur durch die Farben der Standarten, die ihre Eskorten tragen. Bald gleichen sich die Uniformen der Offiziere und der Soldaten durch den Erdstaub, der alle zwingt, die Mützenschilder herunterzuklappen, und manche, sich Taschentücher vor den Mund zu binden. Nach und nach entstehen Abstände zwischen Bataillonen, Kompanien und Einheiten, und was beim Auszug aus dem Bahnhof ein kompakter Organismus zu sein schien, eine lange, zwischen verdorrten Stämmen über die rissige Erde dahinkriechende Schlange, zerbricht in unabhängige Glieder, in Schlangen-Töchter, die sich ebenfalls voneinander entfernen, sich für Augenblicke aus den Augen verlieren und je nach Beschaffenheit des Geländes wieder zu Gesicht bekommen. Reiter sprengen auf und ab, spannen ein kreisförmiges Netz von Informationen, Befehlen, Feststellungen zwischen den Teilen dieses verstreuten Ganzen, dessen Spitze nach wenigen Stunden Marsch schon die erste Ortschaft in der Ferne erblickt: Pau Seco. Die Vorhut, stellt Oberst Moreira César durch seinen Feldstecher fest, hat dort zwischen den Hütten Spuren ihres Durchmarschs hinterlassen: ein Fähnchen und zwei Soldaten, die sicher mit Botschaften auf ihn warten.
    Die Eskorte reitet dem Oberst und seinem Gefolge ein paar Meter voraus; danach kommen, ein exotisches Einsprengsel in dieser uniformierten Gesellschaft, die Korrespondenten, die nach dem Beispiel vieler Offiziere abgestiegen sind und sich im Gehen unterhalten. Genau in der Mitte der Kolonne befindet sich die Batterie mit den von Ochsengespannen gezogenenKanonen. Etwa zwanzig Soldaten unter dem Befehl eines Offiziers, der die rote Raute der Artillerie am Ärmel trägt, Hauptmann José Agostinho Salomão da Rocha, treiben die Ochsen an. Die Schreie, mit denen sie die Tiere anfeuern oder sie wieder zurückholen, wenn sie vom Weg abkommen, sind der einzige hörbare Lärm. Die Truppe spricht halblaut, um Energie zu sparen, oder marschiert schweigend, die flache und fast kahle Landschaft betrachtend, die sie zum erstenmal sehen.
    Wegen der Sonne, den dicken Uniformen, dem Gewicht der Tornister und der Gewehre schwitzen viele, versuchen aber, gemäß den Instruktionen, die Feldflasche nicht zu oft an den Mund zu setzen, denn sie wissen: der erste Kampf, der gegen den Wassermangel, hat schon begonnen. Vormittags überholen sie den Verpflegungskonvoi, eine Kompanie Soldaten und tags zuvor angeworbener Viehhirten, die Kühe, Ziegen und Böcklein vor sich hertreiben. An ihrer Spitze, düster und die Lippen bewegend, als bestreite oder verharmlose er etwas in einem imaginären Gespräch, reitet Major Febrônio de Brito. Eine Schwadron Kavallerie beschließt den Zug unter dem Kommando eines agilen, martialischen Reiters: Hauptmann Pedreira Franco. Moreira César reitet eine gute Strecke, ohne zu sprechen, und seine Begleiter schweigen ebenfalls, um die Gedankengänge ihres Chefs nicht zu unterbrechen. Als er in die Straße von Pau Seco einreitet, sieht der Oberst auf die Uhr: »Bei diesem Tempo werden uns die Herren von Canudos versetzen«, sagt er zu Tamarindo und Cunha Matos hinüber. »Wir werden die schwere Rüstung in Monte Santo lassen und die Tornister leichter machen müssen. Wir haben ohnehin zuviel Munition. Es wäre doch traurig, wenn wir dort nur noch Aasgeier vorfinden würden.«
    Das Regiment führt fünfzehn Millionen Patronen und siebzig Schuß Artillerie mit, und die Maultierwagen, auf denen sie befördert werden, halten den Vormarsch am meisten auf. Oberst Tamarindo bemerkt, daß sie hinter Monte Santo vielleicht noch langsamer vorankommen werden, denn nach den Auskünften des Militäringenieurs Domingo Alves Leite und Alfredo do Nascimento sei das Gelände dort noch wesentlich zerklüfteter.»Abgesehen davon, daß es dann bereits Vorgefechte geben wird«, fügt er hinzu. Er ist rot und aufgedunsen von der Hitze und wischt sich mit einem bunten Taschentuch ab. Obwohl er das Pensionierungsalter schon überschritten und keine Verpflichtung

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