Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
Lippen, als ob er im stillen mit sich spräche. Dann wandte er sich an Gumucio: »Vielleicht hast du recht, Adalberto. Es könnte ein tollkühnes Manöver der Jakobiner sein. Seit dem Tod des Marschalls Floriano Peixoto ist Oberst Moreira César ihre große Karte, der Held, mit dem sie die Macht zurückerobern möchten.«
    Wieder hörte er sie durcheinanderreden, doch diesmal unterbrach er sie nicht. Während seine Freunde mutmaßten und diskutierten, hörte er, Zuhören vortäuschend, von ihnen weg, was ihm nicht schwerfiel, wenn ein Gespräch ihn langweilte oder seine eigenen Gedanken ihm wichtiger erschienen als das, was er hörte. Oberst Moreira César! Es war nicht gut, daß er kam. Er war ein Fanatiker und wie alle Fanatiker gefährlich. Er dachte daran, wie gnadenlos er vor vier Jahren die Föderalistenrevolte in Santa Catarina niedergeschlagen und als der Bundeskongreß ihn aufforderte, zu kommen und über die von ihm veranlaßten Exekutionen Rechenschaft abzulegen, mit einem Telegramm geantwortet hatte, das ein Muster an Lakonismus und Arroganz war: »Nein.« Er dachte daran, daß unter den damals im Süden Erschossenen ein Marschall gewesen war, ein Baron und ein Admiral, den er gekannt hatte, und daß Marschall Floriano Peixoto nach Einführung der Republik Moreira César beauftragt hatte, das Heer von allen für ihre Verbindungen zur Monarchie bekannten Offizieren zu säubern. Das Siebte Regiment gegen Canudos! Adalberto hat recht, dachte er. Es ist der Höhepunkt des Grotesken. Er gab sich einen Ruck, hörte wieder zu.
    »Er kommt nicht, um die Sebastianiten im Sertão, sondern um uns zu liquidieren«, sagte Adalberto de Gumucio. »Um dich zu liquidieren und Luiz Viana und die Autonomistische Partei, und Bahia wird er Epaminondas Gonçalves übergeben, denn der ist hier der Mann der Jakobiner.«
    »Kein Anlaß zum Selbstmord, Senhores«, unterbrach ihn der Baron, leicht die Stimme hebend. Er war nicht mehr heiter, sondern sehr ernst und sprach mit Festigkeit. »Kein Anlaß zumSelbstmord«, wiederholte er. Er ließ seinen Blick über die Anwesenden gleiten in der Gewißheit, daß sich seine Gelassenheit zuletzt auf seine Freunde übertragen werde. »Niemand wird uns nehmen, was uns gehört. Ist nicht in diesem Zimmer die politische Macht von Bahia, die Gerichtsbarkeit von Bahia, die Presse von Bahia versammelt? Ist hier nicht der größte Besitz an Land, Gut und Herden von ganz Bahia? Das kann auch Oberst Moreira César nicht ändern. Mit uns Schluß machen hieße, mit Bahia Schluß machen, Senhores. Epaminondas Gonçalves und sein Anhang sind in diesem Land nur eine Kuriosität. Sie haben weder die Mittel noch die Leute, noch die Erfahrung, um in Bahia die Zügel zu ergreifen, selbst wenn sie ihnen in die Hand gelegt werden. Das Pferd würde sie auf der Stelle abwerfen.«
    Er machte eine Pause, und jemand reichte ihm aufmerksam ein Glas mit einer Erfrischung. Genießerisch trank er den Saft, kostete den sirupartigen Guajavengeschmack.
    »Dein Optimismus freut uns natürlich sehr«, hörte er Luiz Viana sagen. »Immerhin wirst du zugeben, daß wir Rückschläge erlitten haben und handeln müssen, je eher, desto besser.«
    »Ohne jeden Zweifel«, pflichtete der Baron bei. »Das werden wir. Jetzt sofort schicken wir ein Telegramm an Oberst Moreira César, in dem wir unsere Freude über sein Kommen zum Ausdruck bringen und ihm volle Unterstützung seitens der Regierung von Bahia und der Autonomistischen Partei anbieten. Haben wir etwa kein Interesse daran, daß er kommt und uns von den Landräubern befreit? Von den Fanatikern, die Fazendas anzünden und die Leute nicht in Ruhe arbeiten lassen? Und ebenfalls heute noch beginnen wir Geld zu sammeln, das wir dem Bundesheer aushändigen werden: für den Kampf gegen die Räuber.«
    Während er wartete, bis sich das Gemurmel gelegt hatte, trank er noch einen Schluck Saft. Es war heiß, seine Stirn war feucht geworden.
    »Darf ich daran erinnern, daß seit Jahren unsere ganze Politik darin besteht zu verhindern, daß die Zentralregierung zu sehr in die Belange von Bahia eingreift«, sagte schließlich Luiz Viana.
    »Und jetzt besteht die einzige Politik, die uns bleibt, wenn wirnicht Selbstmord begehen wollen, darin, daß wir dem ganzen Land zeigen: wir sind keine Feinde der Republik, wir sind nicht gegen die Souveränität von Brasilien«, sagte der Baron trocken.
    »Diese Intrige muß unverzüglich demontiert werden, und anders geht das nicht. Wir werden Moreira

Weitere Kostenlose Bücher