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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Leutnants im Gefängnis und habe gesehen, daß sie sieben Gefangene eingezogen haben.«
    »Ja«, sagt Moreira César und sieht ihn forschend an. »Wie lautet die Frage?«
    »Die Frage lautet: Warum? Weshalb versprechen Sie diesen Delinquenten die Freiheit?«
    »Sie können kämpfen«, sagt Moreira César. Und nach einer Pause: »Der Delinquent ist ein Fall von überschüssiger Energie, die sich in die falsche Bahn ergießt. Der Krieg kann sie in die richtige zurücklenken. Sie wissen, wofür sie kämpfen, und das macht sie tapfer und manchmal heroisch. Ich habe das erlebt. Und Sie werden es auch erleben, wenn Sie nach Canudos kommen. Denn«, wieder betrachtet er ihn von Kopf bis Fuß, »auf den ersten Blick würde man sagen, daß Sie es keinen Tag im Sertão aushalten werden.«
    »Ich werde versuchen, es auszuhalten, Oberst.« Der kurzsichtige Journalist zieht sich zurück, und Oberst Tamarindo und Major Cunha Matos, die hinter ihm gewartet haben, treten vor:
    »Soeben hat sich die Vorhut in Marsch gesetzt«, sagt Oberst Tamarindo.
    Der Major berichtet, daß die Patrouillen von Hauptmann Ferreira Rocha die Straße bis Tanquinho rekognosziert hätten, daß von Jagunços keine Spur zu sehen sei, daß der Weg aber außerordentlich uneben und hindernisreich sei, was den Vormarsch der Artillerie erschweren werde. Die Kundschafter von Hauptmann Ferreira Rocha erkundeten noch, ob die Hindernisse zu umgehen sind, und für alle Fälle sei eine Einheit Schanzarbeiter vorausgeschickt worden, um den Weg zu ebnen. »Haben Sie die Gefangenen gut verteilt?« fragt ihn Moreira César. »Auf mehrere Kompanien und mit ausdrücklichem Verbot, miteinander zu sprechen«, antwortet der Major. »Auch der Schlachtvieh-Konvoi ist aufgebrochen«, sagt Oberst Tamarindo. Und nach kurzem Zögern: »Febrônio de Brito ist völlig verstört. Er hatte einen Weinkrampf.«
    »Ein anderer hätte Selbstmord begangen«, ist alles, was Moreira César dazu sagt. Er steht auf, und eine Ordonnanz eilt herbei, um die Papiere auf dem Tisch einzusammeln, der ihmals Schreibtisch gedient hat. Gefolgt von seinen Offizieren, geht der Oberst zum Ausgang. Leute kommen angerannt, um ihn zu sehen, doch ehe er an der Tür ist, fällt ihm etwas ein: er wechselt die Richtung und geht auf die Bank zu, auf der die Gemeinderäte von Queimadas warten. Sie stehen auf. Es sind bäuerliche Gestalten, Landwirte oder kleine Händler, die zum Zeichen ihrer Hochachtung ihre besten Kleider angezogen und ihre groben Schuhe gewichst haben. Sie halten die Hüte in der Hand und sehen betreten aus.
    »Ich bedanke mich für Ihre Gastfreundschaft und Ihre Mithilfe, Senhores«, der Oberst umfaßt sie in einem einzigen, routinemäßigen Blick. »Das Siebte Regiment wird die Freundlichkeit Queimadas nicht vergessen. Ich empfehle Ihnen die Truppen, die hier zurückbleiben.«
    Sie haben keine Zeit zu antworten, denn statt sich von jedem einzeln zu verabschieden, grüßt der Oberst alle zusammen, indem er die rechte Hand ans Käppi hebt, dreht sich um und geht zum Ausgang.
    Das Erscheinen Moreira Césars und seines Gefolges auf der Straße, wo das Regiment angetreten ist – die Kompanien stehen längs der Gleise, eine hinter der anderen, so weit der Blick reicht –, bewirkt Beifallsklatschen und Hochrufe. Die Wachtposten halten die Neugierigen ab, die näher kommen wollen, das schöne weiße Pferd wiehert ungeduldig. Tamarindo, Cunha Matos, Olimpio de Castro, die Eskorte und die Korrespondenten bilden, schon zu Pferde, einen Kreis um den Oberst. Dieser überfliegt noch einmal sein Telegramm an die Bundesregierung: »Heute, den 8. Februar, beginnt das Siebte Regiment den Feldzug zur Verteidigung der Souveränität Brasiliens. Kein Fall von Disziplinlosigkeit in der Truppe. Unsere einzige Sorge ist, daß Antônio Conselheiro und die restaurativen Aufständischen in Canudos nicht auf uns warten. Es lebe die Republik.« Er unterzeichnet es mit seinen Initialen, damit der Telegraphist es sofort durchgeben kann. Dann gibt er Hauptmann Olimpio de Castro ein Zeichen, der seinerseits den Trompetern einen Befehl erteilt. Sie blasen ein gellendes, schauerliches Signal, das den frühen Morgen ankeift.
    »Das ist das Regiments-Signal«, sagt Cunha Matos zu dem weißhaarigen Korrespondenten, der neben ihm steht.»Hat es einen Namen?« fragt die aufdringliche Stimme des Journalisten vom Jornal de Notícias . Er hat eine dicke Tasche als Unterlage für sein Schreibbrett auf das Maultier gelegt, das dadurch

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