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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Feldblusen als Kopfkissen zusammen.
    »Machen Sie ihm den Mund auf und halten Sie die Zunge fest«, sagt der Oberst, der genau weiß, was zu tun ist. Er befiehlt zwei Ordonnanzen, ein Zelt aufzuschlagen.
    Der Hauptmann öffnet Moreira César gewaltsam den Mund. Die Krämpfe halten eine Zeitlang an. Endlich kommt Doktor Souza Ferreiro mit dem Sanitätswagen. Tamarindo und Olímpio de Castro bleiben neben dem Oberst, wechseln sich ab mit Mundaufhalten und Zudecken. Schweißbedeckt, die Augen geschlossen, unter Zuckungen abgerissene Klagelaute ausstoßend, wirft der Oberst in kurzen Abständen einen Mundvoll Schaum aus. Der Doktor und Oberst Tamarindo tauschen einen Blick, wechseln aber kein Wort. Der Hauptmann berichtet den Verlauf des Anfalls, und unterdessen zieht Souza Ferreiro seinen Rock aus und winkt einem Adjutanten, die Apotheke an das Feldbett zu bringen. Die Offiziere verlassen das Zelt, damit der Arzt den Patienten ungestört untersuchen kann.Bewaffnete Posten isolieren das Zelt vom Rest der Kolonne. In nächster Nähe, zwischen den Gewehren durchspähend, stehen die Korrespondenten. Sie haben den kurzsichtigen Journalisten mit Fragen bestürmt, und er hat ihnen gesagt, was er gesehen hat. Zwischen den Posten und dem Zelt ist ein Niemandsland entstanden, das kein Offizier und kein Soldat betreten darf, es sei denn, Major Cunha Matos hätte ihn gerufen. Die Hände auf dem Rücken, geht der Major von einer Seite zur andern. Oberst Tamarindo und Hauptmann Olimpio de Castro sind zu ihm getreten, und die Korrespondenten sehen sie zusammen um das Zelt gehen. Je mehr die Abendröte erlischt, desto düsterer werden ihre Gesichter. Von Zeit zu Zeit geht Tamarindo ins Zelt, kommt wieder heraus, und zu dritt setzen sie ihren Rundgang fort. So vergehen viele Minuten, vielleicht eine Viertelstunde, vielleicht eine Stunde, denn als Hauptmann de Castro plötzlich auf die Korrespondenten zugeht und den Journalisten vom Jornal de Notícias bittet, mit ihm zu kommen, brennt schon ein Feuer, und weiter hinten ertönt das Signal Essen. Die Wachen lassen den Kurzsichtigen passieren, der Hauptmann führt ihn zum Oberst und dem Major.
    »Sie kennen sich in der Gegend aus, Sie können uns helfen«, murmelt Tamarindo ohne den sonst so gutmütigen Ton, als müßte er einen inneren Ekel überwinden, mit einem Außenseiter über die Sache zu sprechen. »Der Doktor besteht darauf, daß der Oberst an einen Ort gebracht wird, wo gewisse Bequemlichkeiten vorhanden sind, wo er gepflegt werden kann. Gibt es keine Fazenda hier in der Nähe?«
    »Natürlich gibt es eine«, sagt die Diskantstimme. »Das wissen Sie so gut wie ich.«
    »Außer Calumbí, meine ich«, berichtigt sich Oberst Tamarindo verlegen. »Der Oberst hat die Einladung des Barons, mit dem Regiment nach Calumbí zu kommen, aufs entschiedenste abgelehnt. Das ist kein geeigneter Ort.«
    »Eine andere gibt es hier nicht«, sagt der kurzsichtige Journalist schroff und späht im Halbdunkel auf das Zelt, aus dem ein grünlicher Schimmer dringt. »Zwischen Cansanção und Canudos gehört alles dem Baron de Canabrava, so weit der Blick reicht.«
    Der Oberst betrachtet ihn mitleidig. In diesem Augenblickkommt, sich die Hände abtrocknend, Doktor Souza Ferreiro aus dem Zelt, ein Mann mit ergrauten Schläfen und tiefen Geheimratsecken, der eine Uniform trägt. Die Offiziere scharen sich um ihn und vergessen den Journalisten, der trotzdem bleibt und seine durch die Brille vergrößerten Augen unehrerbietig auf sie richtet.
    »Es ist die physische und die nervöse Anspannung der letzten Tage«, jammert der Doktor und steckt sich eine Zigarette zwischen die Lippen. »Nach zwei Jahren muß das ausgerechnet jetzt wiederkommen. Pech, Teufelswerk, was weiß ich. Ich habe ihn zur Ader gelassen, wegen des Blutandrangs. Aber was er braucht, sind Bäder, Abreibungen, die ganze Behandlung. Sie entscheiden, meine Herren.«
    Cunha Matos und Olimpio de Castro sehen Oberst Tamarindo an. Der räuspert sich, ohne etwas zu sagen.
    »Bestehen Sie darauf, daß wir ihn nach Calumbí bringen, obwohl Sie wissen, daß sich der Baron dort aufhält?« sagt er schließlich.
    »Ich habe nicht von Calumbí gesprochen«, erwidert Souza Ferreiro. »Ich habe nur gesagt, was der Patient braucht. Und erlauben Sie mir, etwas anzufügen: Ihn unter diesen Umständen hier zu lassen ist tollkühn.«
    »Sie kennen den Oberst«, mischt sich Cunha Matos ein. »Er würde sich im Haus eines der Anführer einer monarchistischen

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