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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Senhora, auch wenn sie selber das nicht wissen«, sagte Gall. Er machte eine Pause und fragte wieder: »Lassen Sie mich gehen?«
    Fast ohne sich dessen bewußt zu werden, sagte der Baron zu seiner Frau, auf portugiesisch:
    »Wir müssen hier weg, Estela. Sie wollen Calumbí abbrennen. Es hilft nichts. Ich habe keine Leute, um ihnen Widerstand zu leisten, und es lohnt nicht, Selbstmord zu begehen.« Er sah, daß seine Frau sich nicht rührte, bleich wurde, sich auf die Lippen biß. Er dachte, sie werde in Ohnmacht fallen. Er wandte sich an Gall: »Sie sehen, Estela und ich haben etwas Schwerwiegendes zu besprechen. Ich komme später auf Ihr Zimmer.«
    Gall zog sich sofort zurück. Die Hausherren saßen schweigend. Die Baronin wartete, ohne den Mund aufzutun. Der Baron berichtete ihr seine Unterredung mit Pajeú. Er merkte, daß sie sich Mühe gab, ruhig zu erscheinen, es aber kaum fertigbrachte: sie sah verfallen aus, sie zitterte. Er hatte sie immer sehr geliebt und in kritischen Momenten überdies bewundert. Nie hatte er sie schwach werden sehen; in dieser zarten, grazilen, dekorativen Erscheinung steckte ein starkes Wesen. Auch diesmal, dachte er, würde sie sein bester Schutz gegen das Unglück sein. Er erklärte ihr, daß sie so gut wie nichts mitnehmen könnten, daß sie das Kostbarste in Koffer packen und die Koffer vergraben und alles übrige am besten unter Diener und Landarbeiter verteilen sollten.»Ist nichts mehr zu machen?« flüsterte die Baronin, als ob irgendein Feind zuhören könnte.
    Der Baron schüttelte den Kopf: nichts.
    »In Wirklichkeit wollen sie gar nicht uns schaden, sie wollen den Teufel töten, die Erde soll ausruhen dürfen. Man kann nicht vernünftig mit ihnen reden.« Er zuckte die Achseln, und da er sich weich werden fühlte, beendete er das Gespräch: »Wir fahren morgen mittag. Das ist die Frist, die sie mir gesetzt haben.«
    »Dann werden wir die ganze Nacht über arbeiten müssen«, sagte sie und stand auf.
    Der Baron sah sie gehen und wußte, daß sie vor allem gegangen war, um es Sebastiana zu erzählen. Er ließ Aristarco rufen und besprach mit ihm die Vorbereitungen. Dann schloß er sich in sein Arbeitszimmer ein und zerriß lange Zeit Hefte, Papiere und Briefe. Was er mitnahm, hatte in zwei kleinen Koffern Platz. Auf dem Weg zu dem Zimmer von Gall stellte er fest, daß Estela und Sebastiana aktiv geworden waren. Fieberhafte Tätigkeit herrschte im Haus, Diener gingen hin und her, trugen fort, nahmen ab, füllten Körbe, Kisten, Koffer und tuschelten mit angstverzerrten Gesichtern. Ohne anzuklopfen, trat er ein. Gall schrieb am Nachttisch. Sobald er ihn hörte, befragte er ihn mit dem Blick, die Feder noch in der Hand.
    »Ich weiß, daß es Wahnsinn ist, Sie gehen zu lassen«, sagte der Baron mit einem halben Lächeln, das in Wirklichkeit eine Grimasse war. »Ich müßte Sie in Salvador, in Rio herumreichen, wie es die anderen mit Ihrem Haar, mit der falschen Leiche, mit den falschen englischen Gewehren getan haben ...« Aus Mutlosigkeit ließ er den Satz unbeendet.
    »Täuschen Sie sich nicht«, sagte Galileo. Er saß sehr nahe am Baron, ihre Knie berührten sich. »Ich werde Ihnen nicht helfen, Ihre Probleme zu lösen, ich werde nie Ihr Kollaborateur sein. Wir haben Krieg, und alle Waffen sind recht.«
    Er sprach ohne Aggressivität, und der Baron sah ihn in weiter Ferne: klein, pittoresk, harmlos, absurd.
    »Alle Waffen sind recht«, murmelte er. »Das ist die Definition dieser Epoche, des anbrechenden zwanzigsten Jahrhunderts, Herr Gall. Es wundert mich nicht, daß diese Verrückten glauben, das Ende der Welt sei gekommen.«Aus dem Gesicht des Schotten sprach ein solches Verlangen, daß der Baron plötzlich Mitleid bekam. Er dachte: Alles, was er will, ist, wie ein Hund unter Leuten zu sterben, die er nicht versteht und die ihn nicht verstehen. Er glaubt, daß er sterben wird als ein Held, aber in Wirklichkeit wird er so sterben, wie er fürchtet: als Narr. Die ganze Welt schien ihm das Opfer eines heillosen Mißverständnisses zu sein.
    »Sie können fort«, sagte er. »Ich werde Ihnen einen Führer geben. Obwohl ich bezweifle, daß Sie nach Canudos kommen.«
    Er sah Galls Gesicht aufleuchten und hörte ihn Dankesworte stammeln.
    »Ich weiß nicht, warum ich Sie gehen lasse«, fügte er hinzu.
    »Idealisten faszinieren mich, obwohl ich keinerlei Sympathie für sie habe. Oder vielleicht doch, eine Spur, für Sie, denn Sie sind ein rettungslos verlorener Mann, und Ihr Tod

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