Der Krieg am Ende der Welt
gesehen. Doch Estela hatte nicht geweint, er wußte es sicher. Sie hatte sehr aufrecht dagestanden, auf seinen Arm gestützt, und irgendwann hattesie gemurmelt: »Sie verbrennen nicht nur das Haus, auch die Ställe, die Scheunen, das Lagerhaus.« Am Morgen danach hatte sie angefangen, laut den Brand zu erinnern, und von da an war es unmöglich gewesen, sie zu beruhigen. Das werde ich mir nie verzeihen, dachte der Baron.
»Wenn es mich getroffen hätte, ich wäre noch dort, tot«, sagte plötzlich »Oberst« Murau. »Mich hätten sie mit verbrennen müssen.«
Der Baron dachte, daß die Zornausbrüche des Alten schrecklich gewesen sein mußten, schlimmer als die Adalbertos, und daß er in den Zeiten der Sklaverei widerspenstige oder auf der Flucht aufgegriffene Sklaven sicherlich gefoltert hatte.
»Nicht weil Pedra Vermelha noch viel wert wäre«, knurrte er mit Blick auf die rissigen Wände des Wohnzimmers. »Manchmal dachte ich sogar daran, es wegen der vielen Scherereien selber anzustecken. Wenn einer will, kann er sein Eigentum zerstören. Aber daß eine Bande infamer, wahnwitziger Räuber mir sagt, sie wollen meine Erde verbrennen, damit sie ausruhen kann, weil sie so lange hat schwitzen müssen, das nicht. Da hätten sie auch mich totschlagen müssen.«
»Dir hätten sie gar nicht erst die Wahl gelassen«, versuchte der Baron zu scherzen. »Dich hätten sie noch vor der Fazenda verbrannt.«
Er dachte: Sie sind wie Skorpione. Fazendas verbrennen ist wie sich selber den Stachel einbohren und dem Tod zuvorkommen. Aber wem bringen sie dieses Opfer ihrer selbst und unser aller? Glücklich stellte er fest, daß die Baronin gähnte. Ah, wenn sie schlafen könnte, das wäre das beste Heilmittel für ihre Nerven. Seit Tagen hatte Estela kein Auge zugetan. Während der Ruhepause in der Pfarrei von Cumbe hatte sie sich nicht einmal hinlegen wollen, die ganze Nacht hatte sie dagesessen und hatte in den Armen Sebastianas geweint. Und da hatte der Baron angefangen, unruhig zu werden, denn Estela pflegte nicht zu weinen.
»Es ist schon seltsam«, sagte Murau, mit dem Baron und Gumucio erleichterte Blicke tauschend, denn die Baronin hatte die Augen geschlossen. »Als du auf dem Weg nach Calumbí warst, galt mein Haß vor allem Moreira César. Jetzt ist er mir geradezu sympathisch geworden, und ich hasse die Jagunçosmehr, als ich je Epaminondas Gonçalves und die Jakobiner gehaßt habe.« Wenn Murau erregt war, vollführte er immer eine Kreisbewegung mit den Händen und kratzte sich am Kinn: Der Baron wartete darauf, daß er es tat. Doch der Alte hatte die Arme in cäsarenhafter Gebärde gekreuzt. »Was sie mit Calumbí gemacht haben, mit Poço da Pedra, mit Suçarana, mit Juá und Corral Novo, mit Penedo und Lagoa ist niederträchtig, unfaßbar. Die Fazendas zu vernichten, die ihnen zu essen geben, die Brennpunkte der Zivilisation in diesem Land! Gott wird es ihnen nicht verzeihen. Das ist teuflisch, monströs.«
Na, endlich, dachte der Baron: Eben hatte Murau die Gebärde vollführt, eine rasche Kreisbewegung mit knotiger Hand und ausgestrecktem Zeigefinger, und jetzt kratzte er sich wütend die Haut am Kinn.
»Sprich nicht so laut, José Bernardo«, unterbrach ihn Gumucio, auf die Baronin deutend. »Tragen wir sie ins Schlafzimmer?«
»Erst wenn sie fest schläft«, erwiderte der Baron. Er war aufgestanden und rückte das Kissen zurecht, damit sich seine Frau anlehnen könne. Dann kniete er nieder und legte ihre Füße auf einen Schemel.
»Ich dachte, das beste wäre, sie so schnell wie möglich nach Salvador zu bringen«, flüsterte Adalberto de Gumucio. »Aber ich weiß nicht, ob es nicht unvorsichtig ist, ihr noch einmal eine so lange Reise zuzumuten.«
»Wir werden sehen, wie sie sich morgen fühlt.« Der Baron, wieder auf seinem Schaukelstuhl, schaukelte im gleichen Takt wie der Hausherr.
»Calumbí abbrennen! Leute, die dir so viel verdanken!« Wieder vollführte Murau einen, zwei Kreise und kratzte sich.
»Ich hoffe nur, daß Moreira César es ihnen ordentlich heimzahlt. Ich wollte, ich wäre dabei, wenn er sie über die Klinge springen läßt.«
»Hast du noch keine Nachrichten von ihm?« unterbrach ihn Gumucio. »Eigentlich müßte er längst Schluß gemacht haben mit Canudos.«
»Ja, ich habe es nachgerechnet«, pflichtete der Baron bei.
»Selbst mit Blei in den Füßen müßte er vor Tagen in Canudos angekommen sein. Es sei denn ...« Er bemerkte, daß ihn seineFreunde neugierig ansahen. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher