Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
Fazenda im Landesinnern. Ich habe mehr Gründe als er, Moreira César als unseren Retter zu empfangen.«
    »Immerhin erklärt nichts von alledem, warum du so ohne weiteres die englische Leiche aus der Hand gegeben hast«, sagte José Bernardo Murau. Der Baron wußte sofort, welche Anstrengung es den alten Mann kostete, diese Sätze auszusprechen. »Wäre er nicht ein lebender Beweis für die Skrupellosigkeit gewesen, mit der Epaminondas vorgegangen ist, ein Kronzeuge dafür, wie dieser ehrgeizige Kerl mit Brasilien umspringt?«
    »In der Theorie«, pflichtete der Baron bei. »Im Bereich der Hypothesen.«
    »Wir hätten ihn bei denselben Stellen vorgeführt, bei denen die anderen das famose Haar herumgereicht haben«, murmelte Gumucio. Auch seine Stimme klang ernst, beleidigt.
    »Aber nicht in der Praxis«, fuhr der Baron fort. »Gall ist kein normaler Verrückter. Ja, lacht nicht, er ist ein spezieller Verrückter: ein Fanatiker. Er hätte nicht zu unseren Gunsten, sondern gegen uns ausgesagt. Er hätte die Beschuldigungen von Epaminondas bestätigt und uns zum Gespött gemacht.«
    »Es tut mir leid, aber ich muß dir schon wieder widersprechen«, sagte Gumucio. »Es gibt mehr als genug Mittel, um Kluge wie Narren zu zwingen, die Wahrheit zu sagen.«
    »Nicht die Fanatiker«, erwiderte der Baron. »Nicht die, deren Überzeugungen stärker sind als die Angst vor dem Tod. Bei Gall würde die Folter nichts ausrichten, sie würde ihn nur noch in seinem Glauben bestärken. Die Geschichte der Religion bietet dafür genug Beispiele.«
    »Dann wäre es immer noch besser gewesen, ihn abzuknallen und seine Leiche vorzuzeigen«, murmelte Murau. »Aber ihn einfach laufenlassen!«
    »Würde mich interessieren, was aus ihm geworden ist«, sagte der Baron. »Besser gesagt, wer ihn umgebracht hat. Der Spurensucher, damit er ihn nicht nach Canudos bringen mußte? Die Jagunços, um ihn auszurauben? Oder Moreira César?«»Der Spurensucher?« Gumucio riß die Augen auf. »Du hast ihm auch noch einen Führer mitgegeben?«
    »Und ein Pferd«, bestätigte der Baron. »Ich hatte eine Schwäche für ihn. Mitleid. Sympathie.«
    »Sympathie? Mitleid?« wiederholte »Oberst« José Bernardo Murau und schaukelte sehr schnell. »Für einen Anarchisten, der davon träumt, mit Blut und Feuer über die Welt zu kommen?«
    »Und der ein paar Leichen schon hinter sich hat, nach seinen Papieren zu urteilen«, sagte der Baron. »Falls sie nicht erdichtet sind, was auch möglich ist. Der arme Teufel war überzeugt, Canudos sei die universale Brüderlichkeit, das materialistische Paradies, er sprach von den Jagunços als von seinen politischen Glaubensbrüdern. Man mußte ihn einfach gern haben.« Er bemerkte, daß ihn seine Freunde mit zunehmender Befremdung ansahen.
    »Ich habe sein Testament«, sagte er. »Schwer zu lesen, viel Unsinn, aber interessant. Es enthält Einzelheiten über die Intrige von Epaminondas: wie er ihn erst verpflichtet und dann versucht hat, ihn töten zu lassen etc.«
    »Besser wäre es gewesen, er hätte es der Welt mündlich mitteilen können«, sagte Adalberto de Gumucio entrüstet.
    »Kein Mensch hätte ihm geglaubt«, erwiderte der Baron. »Die Phantasiegeschichten mit Geheimagenten und Waffenschmugglern, die Epaminondas Gonçalves erfunden hat, sind wahrscheinlicher als die wirkliche Geschichte. Nach dem Abendessen übersetze ich euch ein paar Abschnitte.« Er schwieg ein paar Minuten und beobachtete die Baronin, die im Schlaf geseufzt hatte. »Wißt ihr, weshalb er mir dieses Testament gegeben hat? Damit ich es an ein anarchistisches Blatt nach Lyon schicke. Stellt euch vor: Nicht nur mit der englischen Monarchie, jetzt konspiriere ich auch noch mit den französischen Terroristen, die für die Weltrevolution kämpfen.«
    Während er lachte, stellte er fest, daß der Ärger seiner Freunde mit jeder Sekunde wuchs.
    »Wir können deine gute Laune nicht teilen, wie du siehst«, sagte Gumucio.
    »Und dabei bin ich derjenige, dem Calumbí abgebrannt worden ist.«»Hör auf mit den faulen Witzen und erkläre dich endlich«, ermahnte ihn Murau.
    »Es geht nicht mehr darum, Epaminondas Gonçalves irgendeinen Schaden zuzufügen«, sagte Baron de Canabrava. »Es geht darum, einen Kompromiß mit den Republikanern zu finden. Der Krieg zwischen uns ist zu Ende und mit ihm sind es die Umstände. Man kann nicht zwei Kriege auf einmal führen. Der Schotte hätte uns zu gar nichts genützt, er hätte die Dinge nur kompliziert.«
    »Einen

Weitere Kostenlose Bücher