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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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meine, ein neuer Anfall wie der, der ihn gezwungen hat, sich nach Calumbí zu flüchten. Vielleicht hat er sich wiederholt.«
    »Das fehlte noch, daß Moreira César an Krankheit stirbt, ehe er mit diesem Abschaum aufgeräumt hat«, grummelte José Bernardo Murau.
    »Möglich ist auch, daß in der ganzen Gegend kein Telegraph mehr funktioniert«, sagte Gumucio. »Wenn sie die Erde verbrennen, damit sie Siesta halten kann, zerstören sie sicher auch die Drähte und Masten, damit sie selber kein Kopfweh bekommen. Der Oberst kann von jeder Verbindung abgeschnitten sein.«
    Der Baron lächelte bedrückt. Als sie das letztemal hier saßen, war die Ankunft Moreira Césars wie eine Todesanzeige für die Autonomistische Partei von Bahia gewesen. Und jetzt brannten sie vor Ungeduld, die Einzelheiten seines Sieges über die Jagunços zu erfahren, Leute, die der Oberst als restaurative Umstürzler und englische Agenten hinstellte. Während er darüber nachdachte, beobachtete er den Schlaf der Baronin: sie war bleich, wirkte aber ruhig.
    »Handlanger Englands«, rief er plötzlich aus, »Menschen, die Fazendas abbrennen, damit die Erde ausruhen kann! Ich habe es gehört und kann es immer noch nicht fassen. Ein Cangaceiro wie Pajeú, ein Mörder, Frauenschänder, Räuber, ein Ohrabschneider und Plünderer, in einen Kreuzritter des Glaubens verwandelt! Mit diesen Augen habe ich es gesehen! Kein Mensch würde glauben, daß ich hier geboren bin und einen guten Teil meines Lebens hier verbracht habe. Dieses Land ist mir fremd geworden. Diese Leute sind nicht mehr die, mit denen ich immer umgegangen bin. Vielleicht versteht sie der anarchistische Schotte besser als ich. Oder der Ratgeber. Kann sein, daß nur Irre Irre verstehen ...«
    Mit einer Geste der Hoffnungslosigkeit brach er den Satz ab. »A propos schottischer Anarchist«, sagte Gumucio, und dem Baron wurde unbehaglich: er wußte, daß diese Frage kommen würde, seit zwei Stunden erwartete er sie. »Du weißt, daß ich deine politische Klugheit nie in Zweifel gezogen habe. Aber daß du diesen Schotten einfach hast weggehen lassen, das verstehe ich nicht. Einen so wichtigen Gefangenen, die beste Waffegegen unseren Feind Nummer Eins.« Er sah den Baron an, gähnte. »Stimmt es denn nicht?«
    »Unser Feind Nummer Eins ist nicht mehr Epaminondas noch sonst ein Jakobiner«, murmelte der Baron gedrückt. »Das sind jetzt die Jagunços, das ist der wirtschaftliche Zusammenbruch von Bahia. Denn der wird kommen, wenn dieser Wahnsinn nicht beendet wird. Die Felder werden verkommen und alles geht zum Teufel. Sie essen das Vieh auf, die Herden verschwinden. Und was noch schlimmer ist: diese Gegend, in der Mangel an Arbeitskräften schon immer ein Problem war, wird sich entvölkern. Die Leute, die heute massenweise auswandern, werden wir nicht wieder zurückbringen. Wir müssen, auf welche Weise immer, den Ruin aufhalten.«
    Er sah die erstaunten, mahnenden Blicke Gumucios und José Bernardos und fühlte sich ungemütlich.
    »Ich weiß, ich habe deine Frage nach Galileo Gall nicht beantwortet«, sagte er leise. »Nebenbei bemerkt, heißt er nicht einmal so. Warum ich ihn habe gehen lassen? Vielleicht ist es ein Zeichen mehr für den Wahnsinn dieser Zeit, mein Beitrag zur allgemeinen Unvernunft.« Unwillkürlich beschrieb er mit der Hand einen Kreis, wie Murau. »Ich bezweifle, daß er uns etwas genützt hätte, selbst wenn unser Krieg mit Epaminondas weitergehen sollte.«
    »Weitergehen?« hakte Gumucio ein. »Soviel ich weiß, hat er nie auch nur eine Sekunde aufgehört. Seit der Ankunft Moreira Césars in Bahia sind die Jakobiner in Salvador aufgeblasener denn je. Das Jornal de Notícias verlangt, daß das Parlament Viana zur Rechenschaft zieht und ein Sondergericht einberuft, um uns für unsere Verschwörungen und faulen Machenschaften aburteilen zu lassen.«
    »Ich habe den Schaden, den uns die Progressiven Republikaner zugefügt haben, nicht vergessen«, unterbrach ihn der Baron.
    »Aber in diesem Augenblick laufen die Dinge in eine andere Richtung.«
    »Du irrst«, sagte Gumucio. »Sie warten nur darauf, daß Moreira César und das Siebte Regiment mit dem Kopf des Ratgebers in Bahia einziehen, um Viana abzusetzen, das Parlament zu schließen und die Jagd auf uns zu eröffnen.«
    »Ist Epaminondas Gonçalves durch die restaurativen Umstürzler etwa irgendein Schaden entstanden?« lächelte der Baron. »Ich habe außer Canudos auch noch Calumbí verloren, die älteste und blühendste

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