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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Jahren, in denen er dank dem Ratgeber Ruhe gefunden hat vor dem quälenden Brodeln, das seine Seele war, als er dem Teufel diente: das Meer. Wie viele Jahre hatte er es nicht gesehen, gerochen, am Körper gefühlt? Er kann es nicht sagen, aber er weiß, daß eine lange Zeit vergangen ist, seit er es zum letztenmal gesehen hat, damals auf der Anhöhe zwischen den Zuckerrohrfeldern, die Senhorita Adelinha de Gumúcio zu besteigen pflegte, um die Sonnenuntergänge zu betrachten. Vereinzelte Schüsse gemahnen ihn, daß die Schlacht nicht zu Ende ist, doch das ficht ihn nicht an: sein Gewissen sagt ihm, daß er nichts ändern könnte, auch wenn er wach wäre, denn weder ihm noch sonst einem der Männer der Katholischen Wachmannschaft bleibt eine Mannlicher-Patrone oder eine Gewehrkugel oder ein Korn Pulver für die Feuerwaffen, die die Hufschmiede aus Canudos, aus Not zu Waffenschmieden geworden, für sie hergestellt haben.
    Weshalb dann bleiben sie in diesen hochgelegenen Höhlen der Schlucht am Fuß der Favela, auf der die Hunde zusammengetrieben sind? Sie befolgen Befehle von João Abade. Denn nachdem sich João Abade vergewissert hat, daß die gesamte Streitmacht der Ersten Kolonne durch den Beschuß der Jagunços, die hinter Felsvorsprüngen, in Schützengräben und Schlupflöchern postiert sind, auf der Favela festgehalten wird, will er versuchen, den Troß mit der Munition, den Nahrungsmitteln und dem Vieh der Truppen abzufangen, der wegen des schwierigen Geländes und der zahlreichen Geplänkel, die Pajeú ihm liefert, schon erheblich verspätet ist. In der Hoffnung, den Transport in der Schlucht von Umburanas überfallen zu können, hat er João Grande gebeten, die Katholische Wachmannschaft solle, koste es, was es wolle, verhindern, daß die Regimenter auf der Favela umkehrten. Im Halbschlaf sagt sichder ehemalige Sklave, daß die Hunde sehr dumm sein müssen, oder sie haben viele Leute verloren, denn bis jetzt hat nicht einmal eine Patrouille versucht, den Weg in die Schlucht von Umburanas zurückzugehen und nachzusehen, was mit dem Troß passiert ist. Die Männer der Katholischen Wachmannschaft wissen, daß sie sich bei dem geringsten Versuch der Soldaten, die Favela zu verlassen, auf sie werfen und sie mit dem Jagdmesser, mit Macheten und Bajonetten, mit Zähnen und Krallen zurückschlagen müssen. Auf der anderen Seite der breiten Bahn, die die Soldaten mit ihren Wagen und Kanonen auf dem Marsch zur Favela gezogen haben, liegt der alte Macambira mit seinen Leuten im Hinterhalt und wird das gleiche tun. Aber sie werden es nicht versuchen, sie sind zu sehr darauf konzentriert, das Feuer zu erwidern, das die Jagunços von allen Seiten auf sie eröffnen, zu sehr damit beschäftigt, Canudos zu bombardieren, um zu ahnen, was hinter ihrem Rücken geschieht. João Abade ist klüger als sie, träumt er. War seine Idee nicht gut gewesen, die Hunde auf die Favela zu locken? War es nicht sein Gedanke gewesen, daß Pedrão und die Vilanova die anderen Teufel auf dem Hohlweg von Cocorobó erwarten sollten? Sicher haben sie den Feind auch dort vernichtet. Der berauschende Meeresgeruch in seiner Nase entfernt ihn vom Krieg. Er sieht Wellen, er fühlt die Liebkosung schäumenden Wassers auf seiner Haut. Zum erstenmal nach achtundvierzig Stunden Kampf schläft er ein.
    Zwei Stunden später weckt ihn ein Bote von Joaquim Macambira. Es ist einer seiner Söhne, ein schlanker junger Mann mit langem Haar, der im Schützengraben kniet und geduldig wartet, bis João Grande zu sich kommt. Sein Vater braucht Munition, seine Männer haben kaum noch Kugeln und Pulver. Die Zunge schwer vom Schlaf, erklärt ihm João Grande, daß es ihm nicht anders geht. Haben sie Nachricht von João Abade? Keine. Und von Pedrão? Der junge Mann nickt. Er mußte sich aus Cocorobó zurückziehen, sie hatten hohe Verluste und keine Munition mehr. Auch in Trabubú konnten sie den Feind nicht aufhalten.
    Endlich fühlt João Grande sich völlig wach. Heißt das, daß das Heer aus Jeremoabo kommt?
    »Es kommt«, sagt der Sohn von Joaquim Macambira. »Pedrãound die Kerle, die nicht gefallen sind, stehen schon in Belo Monte.«
    Vielleicht sollte die Katholische Wachmannschaft das auch tun: nach Canudos umkehren und den Ratgeber vor dem Angriff schützen, der unvermeidlich sein wird, wenn das andere Heer hier durchzieht. Was wird Joaquim Macambira tun? Der junge Mann weiß es nicht. João Grande beschließt, mit dem Alten zu sprechen.
    Es ist spät in der

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