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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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stinkenden Eiters.
    »Es wird deiner Laufbahn zugute kommen«, hatte sein Vater beim Abschied am Bahnhof von São Paulo gesagt. »Du bekommst Praxis in Erster Hilfe.« Es war eher eine Praxis als Sägewerker. Aber etwas hat er gelernt in diesen drei Wochen: daß die Verwundeten öfter an Wundbrand sterben als an den Wunden und daß diejenigen bessere Chancen haben durchzukommen, die Schüsse im Arm oder im Bein – in abnehmbaren Gliedmaßen – haben, vorausgesetzt, sie werden rechtzeitig amputiert und kauterisiert. Nur für drei Tage reichte das Chloroform für humane Amputationen: in diesen Tagen war er derjenige, der die Ampullen aufbrach, einen Wattebausch mit der betäubenden Flüssigkeit tränkte und ihn dem Verletzten an die Nase hielt, während Hauptmann Alfredo Gama, der Chirurg, schwer atmend sägte. Als das Chloroform ausging, wurde ein Glas Schnaps das Anästhetikum, und da auch der Schnaps zu Ende ging, werden die Operationen nun bei vollem Bewußtsein durchgeführt, in der Hoffnung, der Patient werde bald in Ohnmacht fallen, damit der Chirurg ohne Ablenkung durch Schmerzensschreie operieren kann. Jetzt ist Teotônio Leal Cavalcanti derjenige, der den vom Wundbrand Befallenen Füße, Beine, Hände und Arme absägt, während zwei Krankenpfleger das Opfer festhalten, bis ihm die Sinne schwinden. Und derjenige, der nach der Amputation die Stummel kauterisiert, indem er ein wenig Schießpulver auf der Schnittfläche abbrennt, oder mit brennendem Fett, wie es ihn Hauptmann Alfredo Gama vor dem törichten Unfall gelehrt hat.
    Dem törichten, ja. Denn Hauptmann Gama wußte, daß es Artilleristen genug gab, an Ärzten aber mangelte. Vor allem an Ärzten mit Erfahrung in Erste-Hilfe-Medizin, wie er, der sie in den Urwäldern Paraguays gelernt hatte, wohin er noch während seiner Studentenzeit als Freiwilliger gegangen war, wie der junge Teotônio nach Canudos. Aber in diesem Krieg gegen Paraguay befiel Doktor Alfredo Gama zu seinem Unglück das »Artillerie-Laster«, wie er selbst bekannte, und dieses Laster kostete ihn vor einer Woche das Leben, so daß nun sein Adjutant, Teotônio, die drückende Verantwortung für zweihundert Verwundete, Kranke und Sterbende trägt, die halbnackt, stinkend, von Würmern zerfressen dicht an dicht auf dem harten Stein – höchstens jeder zweite hat eine Decke oder eine Strohmatte – im Feldlazarett liegen. Das Sanitätskorps der Ersten Kolonne war in fünf Mannschaften eingeteilt worden, deren eine, die von Hauptmann Alfredo Gama und Teotônio Leal Cavalcanti, den Nordabschnitt des Lazaretts zu versorgen hatte.
    Das »Artillerie-Laster« ließ es nicht zu, daß sich Doktor Alfredo Gama ausschließlich um die Verwundeten kümmerte. Plötzlich unterbrach er eine Behandlung und rannte wie ein Besessener den Monte Mário hoch, auf den unter größten Anstrengungen alle Kanonen der Ersten Kolonne gezogen worden waren. Die Artilleristen ließen ihn die Krupp-Kanonen abschießen, selbst die Metzlerin. Teotônio hat seine Prophezeiung noch im Ohr: »Ein Chirurg wird die Türme von Canudos zu Fall bringen.« Hatte der Hauptmann sein »Laster« befriedigt, kehrte er mit neuem Schwung in die Senke zurück. Er war ein beleibter Sanguiniker, selbstlos und menschenfreundlich, der Teotônio Leal Cavalcanti vom ersten Tag an ins Herz schloß. Der Student war von seiner Ausstrahlung, seiner Lustigkeit, seinem abenteuerlichen Leben, seinen pittoresken Anekdoten so angetan, daß er auf der Fahrt nach Canudos ernstlich daran dachte, wie sein Idol nach abgeschlossenem Examen beim Heer zu bleiben. Während des kurzen Aufenthalts des Regiments in Salvador führte Doktor Gama Teotônio an die Medizinische Fakultät von Bahia an der Praça da Catedral Basílica, damit er sie kennenlerne, und vor der gelblichen Fassade mit den blauen Spitzbogenfenstern saßen der Arzt und der Student unter Poincianabäumen, Kokospalmen und Wundersträuchern Schnaps trinkend zwischen den Kiosken auf dem schwarz-weiß gepflasterten Platz, umlagert von ambulanten Händlern und Fleischrösterinnen. Sie trankenbis in den frühen Morgen und erwachten, verrückt vor Glück, in einem Mulattinnenbordell. Als sie den Zug nach Queimadas bestiegen, ließ Doktor Gama seinen Schützling ein Vomitiv einnehmen, als Vorbeugung, erklärte er, gegen die afrikanische Syphilis.
    Teotônio trocknet sich den Schweiß, während er einem im Fieber delirierenden Pockenkranken in Wasser aufgelöstes Chinin zu trinken gibt. Neben ihm liegt ein

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