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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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prophezeite Aufstände. Ich hielt ihn für einen Schwindler. Niemand hätte geglaubt, daß er zur tragischen Figur werden könnte.«
    »Ich habe Papiere von ihm«, sagte der Baron. »Eine Art Denkschrift oder Testament, er schrieb es in meinem Haus in Calumbí. Ich sollte es seinen Gesinnungsgenossen schicken. Aber ich konnte nicht. Nicht aus böser Absicht, ich war sogar in Lyon, um mich des Auftrags zu entledigen.«
    Warum hatte er, von London aus, diese Reise nach Lyon gemacht, um Galls Text den Redakteuren des Etincelle de la révolte persönlich zu übergeben? Aus Liebe zum Phrenologenbestimmt nicht; letztlich war, was er für ihn fühlte, Neugier gewesen, wissenschaftliches Interesse an dieser überraschenden Variante der menschlichen Spezies. Er hatte sich die Mühe gemacht, nach Lyon zu fahren, um diese revolutionären Genossen von Angesicht zu sehen, um sie anzuhören und festzustellen, ob sie wie er waren, ob sie dieselben Dinge glaubten und sagten wie er. Aber die Reise war nutzlos gewesen. Alles, was er herausbrachte, war, daß L’Etincelle de la révolte , ein unregelmäßig erscheinendes Blatt, seit langem nicht mehr erschien und daß der Eigentümer der kleinen Druckerei, in der er hergestellt wurde, schon vor drei oder vier Jahren unter der Anklage, Falschgeld gedruckt zu haben, verhaftet worden war. Es paßte gut zu Galls Schicksal, daß er seine Artikel möglicherweise an Gespenster geschickt hatte und gestorben war, ohne daß auch nur einer seiner Bekannten in Europa erfuhr, wo und wie und warum er gestorben war.
    »Die Geschichte von Wahnsinnigen«, stieß er zwischen den Zähnen hervor. »Der Ratgeber, Moreira César, Gall. Canudos hat die halbe Welt verrückt gemacht. Sie auch, natürlich.«
    Ein Gedanke schloß ihm den Mund: Nein, sie alle waren schon vorher verrückt gewesen. Canudos hatte einzig und allein Estela um den Verstand gebracht. Er mußte sich zusammennehmen, um nicht zu weinen. Er erinnerte sich nicht, als Kind, als Halbwüchsiger je geweint zu haben. Aber seit jenen Vorfällen mit der Baronin waren ihm in schlaflosen Nächten in seinem Arbeitszimmer oft die Tränen gekommen.
    »Eher eine Geschichte der Mißverständnisse als eine Geschichte von Wahnsinnigen«, berichtigte ihn einmal mehr der Journalist. »Eines möchte ich wissen, Baron, und ich bitte Sie inständig, mir die Wahrheit zu sagen.«
    »Seitdem ich mich aus der Politik zurückgezogen habe, sage ich sie fast immer«, flüsterte der Baron. »Was möchten Sie wissen?«
    »Ob es zwischen dem Ratgeber und den Monarchisten Kontakte gegeben hat«, erwiderte der Journalist, die Reaktionen des Barons beobachtend. »Ich meine nicht die kleine Gruppe von Nostalgikern, die sich nach dem Kaiserreich zurücksehnten und, wie Gentil de Castro, naiv genug waren, sich selbst als Monarchisten zu bezeichnen. Sondern Leute wie Sie, wie dieAutonomisten, die innerlich Monarchisten waren, es aber verheimlichten. Hatten diese Leute Kontakte zum Ratgeber? Haben sie ihn aufgehetzt?«
    Der Baron, der ihm spöttisch zugehört hatte, brach in Lachen aus.
    »Haben Sie das in all den Monaten in Canudos nicht herausgebracht? Haben Sie unter den Jagunços Politiker aus Bahia, aus São Paulo, aus Rio de Janeiro gesehen?«
    »Ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich nicht viel gesehen habe«, gab die unsympathische Stimme zurück. »Ich habe immerhin erfahren, daß Sie Mais, Zucker, Vieh nach Canudos geschickt haben.«
    »Dann werden Sie auch erfahren haben, daß ich es nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen getan habe«, sagte der Baron. »Wir mußten es alle tun, sämtliche Fazendeiros der Gegend, damit sie uns nicht die Fazendas niederbrannten. So verfährt man im Sertão mit den Banditen: wenn man sie nicht umbringen kann, kauft man sie. Hätte ich auch nur den geringsten Einfluß auf sie gehabt, wäre Calumbí nicht zerstört worden, und meine Frau wäre gesund. Diese Fanatiker waren keine Monarchisten, sie wußten nicht einmal, was ein Kaiserreich ist. Es ist phantastisch, daß Sie das nicht begriffen haben, obwohl Sie...«
    Auch diesmal ließ ihn der Journalist nicht ausreden: »Sie wußten es nicht und waren doch Monarchisten, obgleich auf eine Art, die kein Monarchist verstanden hätte«, sagte er schnell und blinzelnd: »Sie wußten, daß unter der Monarchie die Sklaverei abgeschafft worden war. Der Ratgeber pries Prinzessin Isabel, weil sie den Sklaven die Freiheit geschenkt hatte. Er schien davon überzeugt zu sein, daß die Monarchie

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