Der Krieg am Ende der Welt
sie verbrannten«, antwortete der Feuerwerker. »Die Kinder, die alten Leute, die Schwangeren. Da ist er den Gottlosen sagen gegangen, sie sollten sie aus Belo Monte abziehen lassen. Er hat weder João Abade um Rat gefragt noch Pedrão, noch João Grande, die in der Santo Eloi und der São Pedro Mártir standen. Er hat die Fahne gemacht und ist die Madre Igreja hochgegangen. Die Gottlosen haben ihn durchgelassen. Wir dachten, sie hätten ihn umgebracht und würden ihn, wie Pajeú, ohne Augen, Zunge und Ohren zurückschicken. Aber er kam wieder mit seinem weißen Lappen. Wir hatten die Santo Eloi, die Menino Jesus und die Madre Igreja schon geschlossen. Und viele Brände gelöscht. Zwei, drei Stunden später kam er zurück, und während dieser Zeit haben die Atheisten nicht angegriffen. Das ist ein Waffenstillstand. Das hat Pater Joaquim erklärt.«
Der Zwerg kuschelte sich an Jurema. Er zitterte vor Kälte. Sie waren in einer Höhle, in der früher Ziegenhirten übernachteten, nicht weit von dem kleinen, inzwischen abgebrannten Gut Caçabú, an einer Abzweigung der Straße Mirandela – Quijinga. Schon zwei Tage waren sie dort versteckt. Von Zeit zu Zeit gingen sie hinaus, sammelten auf raschen Streifzügen Kräuter und Wurzeln, alles was kaubar war, und holten Wasser an der nahen Wasserstelle. Da die ganze Gegend von Truppen überschwemmt war, die in kleinen Abteilungen oder in ganzen Bataillonen nach Queimadas zurückkehrten, hatten sie beschlossen, sich eine Zeitlang hier versteckt zu halten. In denNächten sank die Temperatur beträchtlich, und da die Vilanova nicht erlaubten, daß sie Feuer machten, aus Angst, der Lichtschein könnte eine Patrouille anlocken, fror sich der Zwerg zu Tode. Als der Kleinste und der am stärksten Abgemagerte litt er am meisten unter der Kälte. Der Kurzsichtige und Jurema ließen ihn zwischen sich schlafen, um ihn mit ihren Körpern zu wärmen. Aber auch so sah der Zwerg voll Angst der Nacht entgegen, denn trotz der Wärme, die seine Freunde ihm gaben, klapperten ihm die Zähne, fühlten sich seine Knochen wie Eis an. Er saß zwischen ihnen, und immer wieder, während er dem Feuerwerker zuhörte, zog er Jurema und den Kurzsichtigen dichter an sich heran.
»Was ist mit Pater Joaquim geschehen?« hörte er den Kurzsichtigen fragen. »Ist auch er ...«
»Sie haben ihn weder verbrannt noch ihm die Kehle durchgeschnitten«, antwortete Antônio Fogueteiro rasch, ein wenig beschwichtigend und als wäre er glücklich, endlich eine gute Nachricht zu haben. »Er starb an einer Kugel an der Barrikade in der Santo Eloi. Er stand nicht weit von mir. Auch er hat geholfen, aus Barmherzigkeit zu töten. Hinterher hat Serafino, der Schreiner, noch gesagt, dem Vater hätte dieser Tod vielleicht nicht gefallen. Er sei doch kein Jagunço gewesen, sondern ein Priester. Vielleicht hätte es dem Vater mißfallen, daß ein Mann in Soutane mit einem Gewehr in der Hand starb.«
»Der Ratgeber wird ihm erklärt haben, warum er ein Gewehr in der Hand hatte«, sagte eine der Sardelinhas. »Und der Vater hat ihm verziehen.«
»Sicher«, sagte Antônio, der Feuerwerker. »Er weiß, was er tut.«
Obwohl sie kein Feuer brennen hatten und der Eingang der Höhle mit ganzen Sträuchern und Kakteen getarnt war, die sie in der Nähe ausgegraben hatten, sickerte die Nachthelligkeit zu ihnen durch – der Zwerg stellte sich einen gelben Mond vor und Myriaden funkelnder Sterne, die verwundert auf den Sertão heruntersahen –, so daß er das Profil des Feuerwerkers sehen konnte, seine Stumpfnase, die Stirn und das Kinn, die von Messerhieben zerschnitten waren. Der Zwerg erinnerte sich gut an diesen Jagunço. Er hatte ihn in Canudos die Feuerwerkevorbereiten sehen, die bei Prozessionen den nächtlichen Himmel mit gleißenden Arabesken überzogen, er erinnerte sich an seine vom Pulver verbrannten Hände, an die Narben an seinen Armen, auch daran, daß er zu Beginn des Krieges anfing, diese Sprengkapseln herzustellen, die die Jagunços über die Barrikaden warfen. Als erster hatte der Zwerg ihn am Nachmittag vor der Höhle auftauchen sehen und geschrien: »Der Feuerwerker!«, damit die Vilanova, die ihre Pistolen griffbereit hatten, nicht auf ihn schossen.
»Und weshalb kam der Beatinho zurück?« fragte Antônio Vilanova nach einer Weile. Er war es, der fast ausschließlich die Fragen stellte, er, der Antônio Fogueteiro, nachdem sie ihn erkannt und umarmt hatten, den ganzen Nachmittag und bis spät in die Nacht
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