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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Samstagsmarkt. Jeden Samstagist er gekommen, um nachzusehen, ob du zurück bist. Er hat weit bis hier, aber er ist gekommen. Er ist dein Freund, er will es dir erklären.«
    »Sagen Sie mir inzwischen, was Sie wissen, Mutter«, flüstert der Spurenleser.
    »Sie sind nicht gekommen, um dich zu töten«, erwidert die Alte auf der Stelle. »Auch sie nicht. Sie wollten nur den Ausländer töten. Aber er hat sich gewehrt und hat zwei erschossen. Hast du die Kreuze vor deinem Haus gesehen?« Rufino nickt. »Weil niemand die Leichen abgeholt hat, haben sie sie da oben beerdigt.« Sie bekreuzigt sich. »Herr, gib ihnen die ewige Ruhe. Hast du dein Haus sauber vorgefunden? Ich bin ab und zu hingegangen, damit es nicht schmutzig ist, wenn du kommst.« »Sie hätten nicht hingehen sollen«, sagt Rufino. Er steht mit hängendem Kopf da, den Hut in der Hand. »Sie können kaum mehr gehen. Und außerdem ist dieses Haus schmutzig für alle Zeiten.«
    »Also weißt du es«, murmelt die Alte, seine Augen suchend, die er, zu Boden blickend, verbirgt. Die Frau seufzt. Dann fügt sie nach einer Pause hinzu: »Ich habe deine Schafe verkauft, damit sie nicht auch noch gestohlen werden, wie die Hühner. In dieser Schachtel ist dein Geld.« Sie macht wieder eine Pause, um das Unvermeidliche, das einzige, was Rufino interessiert, hinauszuschieben. »Die Leute sind schlecht. Sie haben gesagt, du kämst nicht zurück, sie hätten dich vielleicht ins Heer gesteckt, vielleicht seist du im Krieg umgekommen. Auch Major Febrônio de Brito ist hier.«
    Aber Rufino unterbricht sie:
    »Wissen Sie, wer sie geschickt hat? Die Leute, die ihn töten wollten?«
    »Caifás«, sagt die Alte. »Er hat sie hingebracht. Er wird es dir erklären. Mir hat er es erklärt. Er ist dein Freund. Dich wollten sie nicht töten. Auch sie nicht. Nur den mit dem roten Haar, den Ausländer.«
    Sie schweigt und auch Rufino schweigt, und in dem stickigen, schattigen Raum hört man das Gesumm der Schmeißfliegen und der Mückenschwärme, die um die Bilder schwirren. Endlich entschließt sich die Alte:
    »Viele haben sie gesehen«, ruft sie mit bebender Stimme undplötzlich funkelnden Augen. »Caifás hat sie gesehen. Als er es mir erzählte, dachte ich: Ich habe gesündigt, es ist eine Strafe Gottes. Ich habe meinen Sohn ins Unglück gebracht. Ja, Rufino: Jurema, Jurema. Sie hat ihn gerettet, sie hat Caifás die Hände festgehalten. Sie ist mit ihm gegangen, hat den Arm um ihn gelegt, sich an ihn gelehnt.« Sie streckt die Hand aus und deutet auf die Straße: »Alle wissen es. Wir können hier nicht mehr leben, Sohn.«
    Das eckige, glatte, im Halbschatten des Raums dunkle Gesicht bewegt keinen Muskel, zuckt nicht mit der Wimper. Die Alte ballt die kleinen, sehnigen Finger zur Faust und spuckt verächtlich in Richtung Straße aus:
    »Sie sind gekommen, um mich zu bedauern, um mit mir von dir zu sprechen. Jedes Wort ein Dolch ins Herz. Giftschlangen sind sie, Sohn!« Sie zieht sich den schwarzen Umhang über die Augen, als hätte sie geweint, doch ihre Augen sind trocken. »Du wirst den Schmutz abwaschen, den sie auf dich geworfen hat, nicht wahr? Es ist schlimmer, als wenn sie dir die Augen ausgekratzt hätte, schlimmer, als wenn sie mich getötet hätte. Sprich mit Caifás. Er weiß, was sie dir angetan hat, er kennt sich aus in Ehrensachen. Er wird es dir erklären.«
    Sie seufzt wieder und küßt nun hingebungsvoll die Perlen ihres Rosenkranzes. Sie sieht Rufino an, der sich nicht gerührt, auch den Kopf nicht gehoben hat.
    »Viele sind nach Canudos gegangen«, sagt sie sanfter. »Apostel sind gekommen. Ich möchte auch hin. Ich bin nur dageblieben, weil ich wußte, daß du kommen würdest. Die Welt wird untergehen, Sohn. Deswegen erleben wir, was wir erleben. Deswegen ist geschehen, was geschehen ist. Werden mich die Beine tragen auf einer so langen Reise? Der Vater wird es entscheiden. Er entscheidet alles.«
    Sie schweigt eine Weile, dann bückt sich Rufino, um ihr noch einmal die Hand zu küssen:
    »Die Reise ist lang, ich rate Ihnen ab, Mutter«, sagt er. »Es ist Krieg, Häuser werden in Brand gesteckt, es fehlt an Essen. Aber wenn Sie gehen wollen, dann gehen Sie. Was Sie tun, ist immer wohlgetan. Und vergessen Sie, was Caifás Ihnen erzählt hat. Sie sollen nicht darunter leiden und sich schämen.«Als Baron de Canabrava und seine Gemahlin nach mehreren Monaten der Abwesenheit in der Marinewerft von Salvador an Land gingen, konnten sie an dem Empfang, der ihnen

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