Der Krieg am Ende der Welt
Stadtrat kommen. Aber so, wie die Dinge stehen, läßt man ihn besser au dessus de la mêlée. Luiz Viana hält nach wie vor treu zu uns.«
»Ich habe dir ein Reiteralbum mitgebracht«, ermunterte ihn der Baron. »Der politische Ärger wird dich doch nicht um deine Passion für Pferde gebracht haben, Adalberto?«
Als sie auf das Nazareth-Viertel zu in die Oberstadt einfuhren, setzten die Heimkehrer ihr schönstes Lächeln auf, um die Grüße der Passanten zu erwidern. Mehrere Kutschen und eine stattliche Anzahl von Reitern eskortierten den Baron auf den Pflasterstraßen – einige schon vom Hafen an, andere hatten ihn auf der Anhöhe erwartet –, und Neugierige scharten sich auf den Gehsteigen oder traten auf die Balkone oder streckten die Köpfe aus den von Eseln gezogenen Trambahnwagen. Der Palast, den die Canabrava bewohnten, war mit Kacheln aus Portugal verkleidet, hatte ein rotes Ziegeldach, schmiedeeiserne, von starkbusigen Karyatiden getragene Balkone und eine Fassade, deren Abschluß vier gelbe, glänzende Keramikfiguren bildeten: zwei langmähnige Löwen und zwei Ananas. Die Löwen schienen die nach Bahia einfahrenden Schiffe zu überwachen, die Ananas den Seeleuten die Pracht der Stadt anzukündigen. Der Garten, in dem das Haus stand, quoll über von Poincianabäumen, Mangos, Wundersträuchern und Feigenbäumen, die im Wind rauschten. Zum Empfang der Herrschaft war der Palast mit Essig desinfiziert und mit aromatischen Kräutern parfümiert worden. Blumen standen in allen Vasen. Diener in langen weißen Kleidern und kleine Negerinnen mit blutroten Schürzchen und Häubchen begrüßten sie an der Tür mit Händeklatschen. Die Baronin plauderte mit ihnen, während der Baron am Eingang stand und sich von seinen Begleitern verabschiedete. Nur Gumucio und die Abgeordneten Eduardo Glicerio, Rocha Seabrá, Lelis Piedades und João Seixas de Pondé folgten ihm ins Haus. Und während die Baronin, hinter ihr die Kammerfrau, ins Obergeschoß hinaufging, durchquerten die Männer das Vestibül, ein Vorzimmer mit Holzmöbeln, und der Baron öffnete die Flügeltür einer Bibliothek, aus der man in den Garten sehen konnte. Ungefährzwanzig Männer verstummten bei seinem Anblick. Wer saß, erhob sich, und alle klatschten. Der erste, der ihn umarmte, war Gouverneur Luiz Viana:
»Es war nicht meine Idee, nicht zum Hafen zu kommen«, sagte er. »Aber hier sind, wie du siehst, Regierung und Kabinett vollzählig versammelt.«
Viana, ein energischer Mann, spitzbärtig und schon ziemlich kahl, machte keinen Hehl aus seiner Sorge. Während der Baron die Anwesenden begrüßte, schloß Gumucio die Tür. Die Luft war stickig von Rauch, auf einem Tisch standen Krüge mit Fruchtsäften, und da die Stühle nicht reichten, setzten sich einige auf die Armlehnen der Sessel, andere standen an die Regale gelehnt. Der Baron brauchte eine Weile, bis er die Begrüßungsrunde beendet hatte. Als er sich setzte, herrschte eisiges Schweigen. Die Männer sahen ihn an, und nicht nur Sorge sprach aus ihren Blicken, sondern ein stummes Flehen, ein angsterfülltes Vertrauen. Der sonst so heitere Baron wurde beim Anblick der Grabesmienen ernst.
»Ich sehe schon, die Dinge stehen nicht so, daß ich Ihnen berichten könnte, ob der Karneval von Nizza dem unseren gleicht«, sagte er sehr ernst und sah Luiz Viana an. »Beginnen wir mit dem Schlimmsten. Was ist das Schlimmste?« »Ein Telegramm, das gleichzeitig mit dir angekommen ist«, murmelte der Gouverneur, der wie zerknautscht in seinem Sessel saß. »Rio hat zugesagt, militärisch in Bahia einzugreifen, der Beschluß im Kongreß ist einstimmig gefallen. Sie schicken ein Regiment des Bundesheeres nach Canudos.«
»Was besagt, daß sich Regierung und Kongreß die These von der Verschwörung offiziell zu eigen gemacht haben«, unterbrach ihn Adalberto de Gumucio. »Was besagt, daß die fanatischen Sebastianiten mit Hilfe des Comte d’Eu, der Monarchisten, Englands und, versteht sich, der Autonomistischen Partei von Bahia das Kaiserreich wiederherstellen wollen; Der ganz stupide Schwindel der Jakobinerbande wird nun die offizielle Wahrheit der Republik.«
Der Baron zeigte keinerlei Unruhe.
»Das Eingreifen des Bundesheeres überrascht mich nicht«, sagte er. »So wie die Dinge stehen, war das unvermeidlich. Was mich überrascht, ist Canudos. Zwei Expeditionskorps geschlagen!« Mit einer Geste ungläubigen Staunens sah er Viana an. »Das begreife ich nicht, Luiz. Diese Verrückten hätte man in Ruhe
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