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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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zuteil wurde, den Kräfteverfall der ehedem allmächtigen Autonomistischen Partei von Bahia und ihres Chefs und Gründers ermessen. Früher, unter dem Kaiserreich, als er noch Minister oder bevollmächtigter Gesandter in London war, und selbst noch in den ersten Jahren der Republik war die Rückkehr des Barons nach Bahia ein Anlaß zu großen Festlichkeiten gewesen. Alle Prominenten der Stadt und viele Fazendeiros begaben sich zum Hafen und brachten ihre Dienerschaft und Gesinnungsgenossen mit, die Gruß-Transparente trugen. Immer erschienen die höchsten Würdenträger und eine Musikkapelle war da und Kinder aus den Piaristen-Schulen brachten Blumensträuße für Baronin Estela. Das Begrüßungsbankett fand unter Vorsitz des Gouverneurs im Victoria-Palast statt, und Dutzende von Tischgenossen applaudierten den Trinksprüchen, den Reden und dem unvermeidlichen Sonett, das irgendein ortsansässiger Dichterling zu Ehren der Heimgekehrten vortrug. Diesmal aber befanden sich nicht mehr als zweihundert Personen am Marine-Hafen, um den Baron und die Baronin mit Jubelrufen zu begrüßen, und darunter kein einziger staatlicher noch militärischer, noch geistlicher Würdenträger. Die Mienen, mit denen Cavalheiro Adalberto de Gumucio und die Abgeordneten Eduardo Glicerio, Rocha Seabrá, Lelis Piedades und João Seixas de Pondé – die von der Autonomistischen Partei zum Empfang ihres Chefs ernannte Abordnung – vortraten, um dem Baron die Hand zu schütteln und die der Baronin zu küssen, waren Grabesmienen.
    Die Heimgekehrten aber ließen nicht erkennen, daß sie den Unterschied bemerkten. Ihr Verhalten war das gleiche wie sonst. Während die Baronin lächelnd die Blumensträuße Sebastiana, der von ihr unzertrennlichen Kammerfrau, zeigte, als wäre sie höchst erstaunt, sie zu bekommen, verteilte der Baron Schulterklopfen und Umarmungen an seine Parteigänger, Verwandten und Freunde, die Schlange standen, bis sie an die Reihe kamen. Er begrüßte sie mit Vornamen, fragte nach ihren Frauen, dankte ihnen, daß sie sich die Mühe gemacht hatten, zu seinem Empfang zu kommen. Und alle paar Augenblickewiederholte er, als sei es ihm ein tiefinneres Bedürfnis, welches Glück es jedesmal wieder bedeute, nach Bahia zurückzukehren, unter diese Sonne, in diese reine Luft, zu diesen Menschen. Ehe er die Kutsche bestieg, die auf der Mole wartete – der Kutscher in Livree verbeugte sich wiederholte Male, als er ihn sah –, grüßte der Baron noch einmal mit erhobenen Armen. Dann setzte er sich neben die Baronin und Sebastiana, die den Rock voller Blumen hatte, Adalberto de Gumucio nahm neben ihm Platz, und die Kutsche fuhr die üppig begrünte Ladeira da Conceição da Praia hoch. Bald sahen die Reisenden die Segelboote in der Bucht, die Festung São Marcelo, den Markt und, im Wasser, viele nach Krebsen fischende Neger und Mulatten.
    »Europa ist doch immer ein Jungbrunnen«, beglückwünschte sie Gumucio. »Sie sind um zehn Jahre verjüngt zurückgekommen.«
    »Ich verdanke das mehr dem Schiff als Europa«, sagte die Baronin. »Die drei geruhsamsten Wochen meines Lebens!«
    »Dafür bist du um zehn Jahre älter geworden.« Der Baron sah durchs Fenster auf das großartige Panorama: das Meer und die Insel, die an Breite und Tiefe gewannen, je weiter die Kutsche in die Oberstadt hochfuhr. »Ist es so schlimm?« Das Gesicht des Parlamentspräsidenten wurde faltig:
    »Schlimmer als alles, was du dir vorstellen kannst.« Er deutete auf den Hafen: »Wir wollten unsere Stärke unter Beweis stellen, einen großen öffentlichen Akt veranstalten. Alle haben versprochen, Leute mitzubringen, sogar aus dem Landesinnern. Wir haben mit Tausenden gerechnet. Und du hast ja gesehen.« Der Baron grüßte ein paar Fischverkäufer, die ihre Strohhüte zogen, als die Kutsche am Seminar vorbeifuhr. Scherzhaft tadelte er seinen Freund:
    »Vor Damen über Politik zu sprechen ist schlechte Erziehung. Oder betrachtest du Estela nicht mehr als Dame?« Die Baronin lachte, ein anmutiges, sorgloses Lachen, das sie jünger machte. Sie hatte kastanienbraunes Haar und eine sehr weiße Haut, ihre langen, schmalen Finger bewegten sich wie Vögel. Sie und ihre Dienerin, eine dunkelhäutige Frau von üppigen Formen, blickten verzückt auf das dunkelblaue Meer, das schimmernde Grün am Ufer, die blutroten Dächer.»Nur die Abwesenheit des Gouverneurs ist gerechtfertigt«, sagte Gumucio, als hätte er nicht zugehört. »Wir haben sie selbst beschlossen. Er wollte mit dem

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