Der Krieg Der Diebe
»Kein Getue mehr«, brummte er. Er kannte sie, kannte ihren Bruder, wußte, daß dies ein Spiel war, das sie beide liebten. Er verdrehte ihr den Arm. »Hast du dir deinen Bruder angesehen? Hast du gesehen, was ihm solche Spielchen einbrachten?«
Da wurde sie ruhig, bedrückt. Neben ihm ging sie hinter Haught her, vorbei an den Endpfeilern, die ebenfalls Nagellöcher aufwiesen, aus der Zeit, da Falkenmasken die Opfer gewesen waren, nicht Stiefsöhne.
Rechts waren die Überreste des niedergebrannten Hauses zu sehen, die Grundmauer aus rußigen Ziegeln und ein paar verkohlte Balken. Darauf ging Haught zu, und sie folgten ihm.
Erato huschte in die tiefere Dunkelheit zurück. Sein Herz hämmerte, denn eine beunruhigende Schattengestalt war vorübergekommen. Er fühlte jemanden neben sich, wie es auch sein sollte, aber er traute jetzt niemandem. Heimlich musterte er, scheinbar ruhig -während sein Herz jedoch noch heftig pochte - diesen Mann, bis er überzeugt war, daß es wirklich sein Kamerad war und kein Gestaltwandler oder sonst eine Bedrohung. Ihm war gar nicht wohl bei dieser Hexenauflauerei. »Sie haben sie überquert«, flüsterte sein Partner.
»Ja, sie sind drüben. Wir sind nicht die einzigen, die unterwegs sind. Kehr zum Ufer zurück. Bring den Trupp in Stellung, und benachrichtige den Stützpunkt.« Erato kehrte durch die Gasse zum Haus am Fluß zurück.
Das Ganze roch nach Doppelspiel. Sein Partner rannte los. Er hatte den Umhang eng um sich gewickelt, um zu verhindern, daß seine Rüstung klirrte. Sie hielten sich den Grundstücken fern, um nicht in eine Falle zu geraten.
Hier war der richtige Ort zum Beobachten, dessen war er sicher.
Er entspannte sich so gut es ging und beobachtete die Sturmwolken entlang dem Fluß, der den Abwind von Freistatt trennte, die Armen von den Reichen -diese Abtrennung, über die es keine Brücke gab. Erato war einmal sehr selbstgefällig gewesen, schließlich wurde er gut bezahlt, hatte erstklassige Waffen und war von seiner eigenen Geschicklichkeit und seinem Ruf, der ihm Herausforderer vom Hals halten würde, überzeugt gewesen. Doch für den Abwind hatte sein Bluff nicht genügt. Sie wagten nicht, es zu betreten, wagten nur bei hellem Tageslicht an den Straßen vorbeizugehen - sie hatten des Nachts so gut wie keinen Zugang zu ihrem eigenen Stützpunkt, dem ehemaligen Landhaus des Sklavenhändlers, das sich auf derselben Flußseite wie Abwind befand; so mußten sie sich immer mehr auf das Stadtkommando verlassen.
Und das wußten ihre Gegner.
Es würde eine lange, kalte Wartezeit werden. Dieser Anblick der Brücke, des Flusses, von Abwind zersetzte die Moral. Ihm wurde plötzlich bewußt, daß er jetzt, so allein hier, in der gleichen Lage wie der Brückenposten war. Vereinzelte Geräusche waren von den Straßen zu hören und aus den Büschen entlang dem Ufer. Unsinnige Ängste ergriffen ihn. Er machte sich Gedanken, ob die anderen auch wirklich da waren; ob diese Geräusche etwa Mord tarnten, ob jemand daherschlich und Hälse durchschnitt; oder schlimmer noch, ob seine Kameraden davongeschleppt wurden wie Stilcho.
Am liebsten hätte er laut nach den anderen gerufen, um sich zu vergewissern, daß sie noch da waren, daß sie lebten. Aber das wäre Wahnsinn! Jetzt hörte er Rascheln ganz in seiner Nähe. Irgendein Tier, beruhigte er sich. Hier am Fluß gab es riesige Ratten. Sie lebten gut von all dem Abfall in den Gossen und der Kanalisation und von den Leckerbissen aus den Häusern der Reichen, mit denen sie Nager und Schlangen locken wollten. Eratos Furcht wurde immer größer. Schließlich zog er sein Schwert aus der Scheide, drückte den Rücken gegen die Steine und spähte durch die Dunkelheit vor sich.
Nichts war zu hören außer dem Trommeln des Regens und dem gleichmäßigen Tropfen aus den Dachrinnen der Häuser, die noch welche hatten. Um sie waren die Grundmauern, die verkohlten Balken und herumliegende Ziegel.
Jemand bewegte sich mit dumpfem Klicken. Mradhon wirbelte herum und sah eine Gestalt dicht an der Wand bei der Ecke.
»Kommt!« forderte Ischade sie auf.
»Wo ist mein Bruder?« fragte Moria.
Doch die Hexe war bereits um die Ecke verschwunden. Mradhon fluchte leise vor sich hin, genau wie Haught, doch alle drei gehorchten. Es gab nun keinen Rückzug mehr, die Dinge ließen sich nicht aufhalten. Der Bettler auf der Brücke - jemand behielt sie im Auge. Die Leiche war verschwunden. Bestimmt waren Stiefsöhne unterwegs. Mradhon bog um die Ecke zu
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