Der Krieg der Ketzer - 2
hinweg und musste sehen, dass die Kontingente von Emerald und Chisholm sich noch weiter von ihren vorgesehenen Positionen entfernt hatten. Schließlich blickte er zur Sonne hinauf.
Der grundlegende Plan für diesen Ausfall sah vor, dass die Flotte noch vor Einbruch der Nacht zu ihrem Ankerplatz zurückkehrte. Um das zu schaffen, vor allem bei den herrschenden Windverhältnissen, würden sie innerhalb der nächsten drei Stunden wenden müssen – spätestens. Angesichts der Geschwindigkeit, die Tanlyr Keep von seinem Geschwader verlangte, würden die Corisande und der Rest der corisandianischen Galeeren ihn niemals einholen können, so sehr sie sich auch anstrengen mochten; und der Baron wusste genau, wann er zum Hafen zurückkehren musste.
Innerlich stieß der Herzog einen heftigen Fluch aus. Es war ein recht allumfassender Fluch, er richtete sich ebenso gegen seine trödlerischen Verbündeten, gegen seinen … übermäßig enthusiastischen Geschwaderkommandanten und auch gegen sich selbst, weil er Tanlyr Keep nicht an einer kürzeren Leine gehalten hatte. Doch Flüche würden jetzt auch nichts von dem ungeschehen machen, was bereits geschehen war. Da er Tanlyr Keep ohnehin niemals würde einholen können, blieb ihn nichts anderes zu tun, als ihm signalisieren zu lassen, er solle an seinen Posten zurückkehren. Und da dem so war, konnte er sich genausogut seinem Ruf gemäß verhalten, stets in selbstbeherrschter Weise und zuversichtlich aufzutreten.
»Also, Captain Myrgyn«, sagte er nun. »Wenn er das Signal sieht, dann sieht er es, und wenn nicht, dann eben nicht.« Er zuckte mit den Schultern. »Wir werden innerhalb der nächsten Stunden ohnehin wenden lassen, und ich habe immer noch nicht gefrühstückt. Würden Sie mich wohl entschuldigen?«
»Selbstverständlich, Euer Durchlaucht.«
Der Captain verneigte sich, und Black Water rang sich ein selbstbewusstes, zuversichtliches Lächeln ab, während er in Richtung seines Frühstücks zurückkehrte, das jetzt doch längst nicht mehr so reizvoll scheinen wollte wie zuvor. Aber ob es nun reizvoll war oder nicht, er war fest entschlossen, jeden einzelnen Bissen davon zu verschlingen und jeden an Bord seines Flaggschiffs auch genauestens wissen lassen, dass er sich durch nichts und niemanden den Appetit verderben ließ. »Wir haben gerade ein weiteres Signal von Commodore Nylz erhalten, Mein Lord«, meldete Lieutenant Tillyer.
»Ach?«
Graf Lock Island blickte von dem gebratenen Hähnchen auf, das er gerade hungrig beschaut hatte. Die Flotte war noch nicht lange genug auf See, als dass frische Nahrungsmittel zu unerreichbaren Luxusgütern geworden wären, doch kein Seemann, der diese Bezeichnung auch verdiente, würde jemals eine anständige Mahlzeit verschmähen.
»Jawohl, Mein Lord. Er meldet, dass das Geschwader, das ihn verfolgt, immer noch aufholt. Tatsächlich ist es schon in Reichweite der großen Kanonen.«
»Ich verstehe.« Lock Island stand vom Tisch auf und trat auf die geräumigen Heckgallerie der Tellesberg hinaus. Diese mit einer eigenen Reling umgebene Plattform erstreckte sich über die gesamte Breite und beide Seitenwände des hohen, reich verzierten Hecks. Dort blieb der Admiral einen Moment stehen, blickte zum Himmel hinauf, schätzte die Sicht ab und dachte darüber nach, wie lange es wohl noch hell bleiben würde.
»Ich denke, es ist Zeit, Henrai«, sagte er dann, kehrte an den Tisch zurück und griff nach einer Hähnchenkeule, während er wieder Platz nahm. »Geben Sie Commodore Nylz das Signal, nach Gutdünken anzugreifen.« »Mein Lord, der Feind …«
Donyrt Qwentyn, Baron Tanlyr Keep, hatte unverwandt über das Heck hinausgeblickt, wo gerade die weißen Segel der Hauptflotte Herzog Black Waters hinter den weißen Schaumkronen der Wellen in der Bucht verschwanden, und er fragte sich, warum der Herzog nicht als Reaktion auf seine eigenen Signale die Geschwindigkeit erhöht hatte. Nun wirbelte er zu dem Lieutenant herum, als genau in diesem Augenblick ein dumpfes Krachen über das Wasser auf sie zurollte. Plötzlich stiegen Rauchwolken über den Hecks der sechs charisianischen Galeeren auf, die er seit mehreren Stunden verfolgt hatte, und die weißen, schäumenden Wellen – das unverkennbare Anzeichen von Kanonenkugeln, die auf sie zujagten – machten den Bericht, den der Lieutenant gerade vorlegen wollte, überflüssig.
»Gut!«, bellte der Baron und drehte sich hastig zum Kommandanten der Donnerkeil herum. »Es sieht ganz so aus,
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