Der Krieg der Ketzer - 2
siebzig.
»Gehen wir an Deck«, sagte er leise zu Myrgyn, und der Flag Captain trat einen Schritt zur Seite und folgte ihm dann.
Das grelle Sonnenlicht ließ den Herzog blinzeln. Die Mittagsstunde war gerade vorbei. Die lange, kräftezehrende Schlacht währte schon mehr als acht Stunden, und seine Kiefer mahlten, als er achteraus das kontinuierliche Grollen der Artillerie vernahm. Es schien lauter zu werden, und er lächelte grimmig. Cayleb konnte nicht wissen, was genau sein Vater beabsichtigte, aber es war offensichtlich, dass der Kronprinz von Charis sehr wohl verstand, wie wichtig es war, einem flüchtenden Feind auf den Fersen zu bleiben.
Black Water blickte zum Himmel hinauf, dann über den Bug hinweg, vor dem ein ganzer Wald aus Galeerenmasten und Segeln aufragte. Noch während er zuschaute, wurden Segel aufgetucht und Rahen herabgelassen, und der Herzog fletschte die Zähne, als er die traditionelle Herausforderung zu einer Schlacht bis zum Ende erkannte.
Ein Teil von ihm hätte Haarahld nichts lieber als das geliefert. Doch wenn er das tat, dann würde Cayleb von achteraus anrücken, und sobald das geschah, würden die charisianischen Galeeren und Galeonen gemeinsam tatsächlich sogar gegen die Schiffe, die immer noch Black Waters Kommando unterstanden, in der Überzahl sein. Seine zahlenmäßige Überlegenheit, auf die er noch vor nicht allzu langer Zeit hatte bauen können, war einfach verflogen, und eine Endschlacht – vor allem, wenn sich auch noch diese Galeonen in die Schlacht stürzten – konnte nur dazu führen, dass er letztendlich unterlag.
»Wir halten den Kurs, Captain Myrgyn«, sagte er ruhig. »Nicht die Segel reffen.« »Die werden versuchen, einfach durch uns hindurchzustoßen, Euer Majestät«, sagte Captain Tryvythyn.
»Was sie versuchen, und was sie letztendlich tun werden, könnten durchaus zwei sehr unterschiedliche Dinge sein, Dynzyl«, gab Haarahld mit ruhiger Stimme zurück.
Der König stand auf dem Achterkastell der Royal Charis und schaute zu, wie die ungeordneten Reihen der feindlichen Galeeren immer weiter auf seine eigene Flotte zuhielten. Im Gegensatz zu den vier langen, unsauberen Kolonnen, in denen Black Water seine Flotte gruppiert hatte, war Haarahld dazu übergegangen, ein Dutzend deutlich kompakterer Kolonnen bilden zu lassen, jede aus einem Geschwader zusammengestellt – und gegen den eigenen Willen verspürte der König tatsächlich so etwas Ähnliches wie Befriedigung.
Er war viel zu intelligent, um nicht zu wissen, welchen gewaltigen Vorteil Merlins Veränderungen an seiner Navy ihm verschafft hatten. Doch die Royal Charisian Navy und die Wildheit sowie das tödliche Geschick der Charisian Marines hatten sie schon lange bevor Merlin und seine neue Artillerie ins Spiel gekommen waren zum Schrecken aller Feinde gemacht. Das hier würde eine Schlacht im alten Stil werden – möglicherweise die letzte, die es auf Safehold jemals geben sollte –, und Haarahld war nun einmal mit der alten Schule aufgewachsen.
Sein Flaggschiff führte ein eigenes Geschwader an, doch der König von Charis selbst hatte nichts in den ersten, alles zermalmenden Gefechten einer Schlacht zu suchen. Vor allem nicht in der Art Kampf, wie ihn charisianische Galeeren zu führen pflegten.
»Alle Mann auf Station, Dynzyl«, sagte er, als Black Waters flüchtendes Geschwader immer weiter auf sie zuhielt. »Klar zum Nahkampf.« Black Waters östlichste Kolonne war weit vor alle anderen gezogen. Jetzt krachten ihre vordersten Galeeren wie ein Rammbock in die Formation der Charisianer.
So zumindest hätte es für einen uninformierten Außenstehenden möglicherweise gewirkt. Doch in Wirklichkeit schwärmten die charisianischen Geschwader jetzt aus und stürzten sich auf den Feind wie Kraken, die eine Gruppe von Narwalen angriffen.
Traditionsgemäß basierten die Taktiken der charisianischen Navy unnachgiebig auf Wildheit und Geschwindigkeit. Die Charisian Marines wussten genau, dass sie die beste Marineinfanterie der Welt waren – die einzige ausgebildete, professionelle Marineinfanterie –, und charisianische Geschwaderkommandeure waren darin ausgebildet, ihre Schiffe immer im Verband gegen einen Gegner vorgehen zu lassen.
Admiral Lock Islands Flaggschiff führte den ersten Angriff an, und nun ging es krachend längsseits zu einem der corisandianischen Schiffe unter dem Oberbefehl von Black Water. Mit fast maschinenartiger Präzision wurden an Bord der Tellesberg die Riemen eingezogen und
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