Der Krieg der Ketzer - 2
und so bewegten sie sich nur schwerfällig und zögerlich, trotz der Rollen ihrer Lafetten.
»Ziehen einstellen!«, riefen die Geschützführer und erklärten damit, dass ihre massigen Waffen nun zu ihrer Zufriedenheit weit genug binnenbords aufgestellt seien. Mann Nummer drei jeder Geschützbedienungsgruppe entfernte jeweils den Mündungspfropfen, mit denen ungenutzte Rohre gegen Spritzwasser geschützt wurden, und Nummer zwei entfernte die Bleiblech-›Schürze‹, die das Zündloch verdeckte, sodass Nummer eins das eigentliche Schloss anbringen konnte.
Pulverjungen – manche von ihnen nicht älter als sieben oder acht Jahre – eilten mit Holzeimern herbei, in denen die Kartuschen aufbewahrt wurden. Jeder dieser Eimer enthielt einen einzelnen Flanellbeutel, der zunächst mit Schießpulver gefüllt und dann zugenäht worden war, und nun ließ jeder der Pulverjungen seinen Beutel neben der Kanone auf das Deck fallen, die man ihm angewiesen hatte, und lief dann wieder zurück, um einen weiteren zu holen.
Nummer fünf einer jeden Geschützbedienungsgruppe hob die Kartusche auf und reichte sie Nummer drei, der sie sofort ins Rohr der Kanone schob. Nummer sechs hatte mittlerweile schon eine Kugel aus dem Vorrat im Schanzkleid herausgenommen. Nun reichte er sie Nummer drei, während Nummer vier die Ladung ganz ins Rohr der Kanone hineinschob. Die schimmernden Kugeln − jede etwas weniger als sechseinhalb Zoll im Durchmesser; ihr Gewicht lag bei etwas mehr als achtunddreißig Pfund – wanderte als Nächstes ins Rohr, gefolgt von einem dicken, runden Ladepfropf aus aufgeschossenem Tau – das die Bewegung der Kugel im Rohr verhindern sollte, wenn das Schiff schwankte –, und Nummer vier stampfte alles mit einem weiteren Stoß seines Ladestocks fest.
Erneut quietschten die Rollen der Lafetten, als die Kanonen dann in Schussposition gebracht wurden. Aus allen Geschützpforten ragten jetzt, entlang der gesamten Steuerbord-Länge der Galeone, Kanonenrohre heraus: Die Taifun zeigte ihre Krallen. Nummer acht und Nummer neun einer jeden Bedienungsgruppe schoben stabile, hölzerne Handspaken unter das jeweilige Rohr. Die Lafetten der Kanonen waren so konstruiert, dass die Stützen – die schweren Seitenstäbe, die das Hauptgewicht der Kanone selbst trugen – in verschiedenen Positionen einrasten konnten, und die Geschützbedienung nutzte diese Haltepunkte, während sie stöhnend und grunzend den Verschluss der Kanone aufwärtswuchtete.
Die Drehzapfen waren so angebracht, dass die Kanone leicht verschlusslastig war, und während mit den Handspaken die Verschlüsse in die gewünschte Höhe gewuchtet wurden, setzte der Geschützführer den Ausrichtungskeil ein – einen einfachen Ausgleichskeil aus Holz, der dazu gedacht war, unter den Verschluss geschoben zu werden. Anschließend wurde die Kanone, wieder mit den Handspaken, herumgedreht und dann so weit nach vorne geschoben, wie es nur möglich war; dann führten die Geschützführer die Zündeisen – kleine, eiserne Spieße – in die Zündlöcher der Kanonen ein, stachen die Kartuschen an und griffen dann nach den Zündboxen, die sie am Gürtel trugen.
Auch das war eine Neuerung. Bevor Merlin hier die Vorgehensweise so verändert hatte, war es üblich gewesen, die Kanonen mit ein wenig losem Schießpulver aus dem Pulverhorn des Geschützführers zunächst vorzubereiten, und wenn dann der Zeitpunkt gekommen war, den Schuss abzufeuern, wurde dieses Pulver mit einer rot glühenden Eisenstange oder einer recht langen Lunte gezündet. Doch brennende Streichhölzer oder glühende Eisenstangen in der Nähe von losem Schießpulver einzusetzen, war alles andere als ungefährlich, vor allem auf einem so schmalen, schwankenden Deck, auf dem zahllose Männer hin und her liefen, und so war es schnell zu weiteren Veränderungen gekommen.
Jetzt entnahmen die Geschützführer den Kästchen, die sie am Gürtel trugen, mit fein gemahlenem Schießpulver gefüllte Gänsefedern und führten sie in die Zündlöcher ein. Dann entfernten sie die wachsbedeckten Papiersiegel, um die Pulverfüllung freizulegen, und ein metallisches Klicken war zu hören, als die jeweilige Nummer zwei das Schloss spannte. Der Zündmechanismus war eine Abwandlung des ›Steinschlosses‹, das Merlin eingeführt hatte; im Prinzip funktionierte es genau wie die Schlösser der neuen Musketen, allerdings war hier keine Zündpfanne erforderlich. Stattdessen traf, wenn der Schlagbolzen vorschnellte, ein Feuerstein auf
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