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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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die

    218
    Roosevelt-Note vom 14. April 1939, siehe ADAP, Serie D, Band VI, Dokument 200 219
    Reichstagsrede vom 28. April 1939, siehe Domarus, Band 2, Seiten 1166ff
    gleiche Doktrin vertreten wir Deutsche nun für Europa, auf alle Fälle
    aber für den Bereich und für die Belange des Großdeutschen Reiches."
    Abgesehen von Roosevelts Irland-Schnitzer zählt der Präsident auch Länder auf, die noch immer Kolonien sind. Das demaskiert die Floskel von der „Sorge" um die Völker.

    Die Annexion der Tschechei tut Hitler auch in dieser Reichstagsrede damit ab, daß er mit ihr nur einen Zustand wiederhergestellt habe, der auch schon vorher fast ein Jahrtausend so bestanden hat. Diese selbstbewußte Antwortrede mag vielen deutschen Zuhörern im April 1939 noch gefallen haben, doch sie ist ein billiger Triumph. Sie ist – und das wiegt ungleich schwerer – auch eine Abfuhr, die Roosevelt Hitler nicht vergißt.

    Hitler selbst verbucht die Angliederung Böhmens und Mährens als einen persönlichen Erfolg von geschichtlicher Bedeutung, besonders da ihm dies als Schachzug ohne Krieg gelungen ist. Die Konsequenzen, die er aus dem letztgenannten Umstand zieht, sind allerdings fatal. Er wertet das Nichtstun der Regierungen in London, Moskau und Paris als Schwächezeichen und als deren Unvermögen, sich zu einer Abwehr aufzuraffen. Daß ihm dieser Irrtum kommen mußte, liegt auf der Hand. Die Botschafter Francois-Poncet und Henderson hatten das militärische Eingreifen Frankreichs und Großbritanniens wiederholte Male angedroht, und dann ist nichts passiert. In dem halben Jahr, das folgt, wird Hitler bei den Verhandlungen um die Heimkehr Danzigs über diesen seinen Irrtum stolpern.

    Hitlers Fehleinschätzung bezieht sich auch auf den inneren Zirkel seiner außenpolitischen Berater. Der frühere Außenminister von Neurath und Minister Göring raten Hitler von der Tschechei-Besetzung ab und sagen ihm voraus, daß die Weltkriegssiegermächte militärisch reagieren werden. Beide irren. Reichsaußenminister von Ribbentrop dagegen sagt vorher, daß Briten und Franzosen trotz ihrer Drohungen nicht handeln werden. Von Ribbentrop liegt mit seinem schlechten Rat in diesem Falle „richtig", was seine Stellung bei Hitler auf fatale Weise stärkt. Ein halbes Jahr danach im Streit mit Polen berät von Ribbentrop den „Führer" ein zweites Mal in gleicher Weise. Seine Vorhersagen in Bezug auf die Reaktionen aus Paris und London gehen aber dieses Mal daneben, und aus dem Streit mit Polen wird binnen dreier Tage auch ein Krieg mit Frankreich und mit Großbritannien.

    Adolf Hitler hat, soweit es die Annexion der Tschechei betrifft, sicher keinen Krieg um des Krieges willen angestrebt. Aber seit seiner Rede vor einer Gruppe höchster Wehrmachtsgenerale im November 1937 ist bekannt, daß er die Tschechei gemeinsam mit Deutsch-Österreich zum Teil des Deutschen Reiches machen will 220
    . Und dazu ist er offensichtlich die ganze Zeit bereit gewesen,

    220
    Die im Hoßbach-Protokoll niedergeschriebene Hitler-Rede vom 5. November 1937

    auch einen Krieg zu fuhren. Es ist beachtenswert, daß Hitler schon im November 1937 nur von der Tschechei spricht, als er den Generalen seine Absicht offenlegt, und nicht von der Tschechoslowakei. Er will – das läßt sich daraus schließen – das alte Deutsche Reich der letzten tausend Jahre wieder zu einem Staat zusammenfügen. Und zu diesem Reich gehörten weder Slowaken noch Ruthenen. Die Angliederung der Sudetengebiete ist Hitler in Verfolgung dieser Absicht nur ein Zwischenziel gewesen. Doch der Kampf um dieses Zwischenziel war dem Ausland und den deutschen Bürgern ein legitimes Handeln. Es war der Kampf ums Selbstbestimmungsrecht der Völker für die Sudetendeutschen. Die zwangsweise Rückführung der Tschechen in „ihr Altreich" dagegen stößt in Deutschland auf Befremden und führt im Ausland zu Empörung. Hitlers überflüssiger Gewaltakt gegen die Tschechei veranlaßt Briten, Franzosen, Sowjets und Amerikaner, nach einer passenden Gelegenheit zu streben, mit Deutschland Krieg zu führen. Daß die Polen bei der Teilung der Tschechoslowakei noch auf der Seite der Deutschen und der Ungarn stehen, wird dabei tunlichst übergangen. Die Polen sind den Briten und Franzosen im nächsten Akt des Dramas ein sehr willkommener Partner, um Deutschland in der längst überfälligen Danzig-Frage und beim Schutz der deutschen Minderheit in Polen vor die unheilvolle Wahl zu stellen, Verzicht zu leisten oder

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