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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Liegeplätzen für die

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    British War Bluebook, Document 9 215
    British War Bluebook, Document 9
    englische Marine und dem Recht, englische Interessen auf ägyptischem Territorium zu verteidigen. England ist mit diesem 1939 noch jungen Zwangsprotektorat über das souveräne Ägypten kaum die moralische Instanz, die sich im Falle der Tschechei zum Richter über Deutschland machen darf. Doch die englische Regierung, die sich weder an den Friedensbrüchen Frankreichs gegenüber Deutschland in den Jahren 1923 und 1925 stört, noch an den vier Eroberungen der Polen in ihren Nachbarländern 1920, 21 und 38, nicht an der Memelannexion der Litauer 1923 und auch nicht an der gerade erst erfolgten Annexion der Karpato-Ukraine durch die Ungarn, diese englische Regierung reagiert im Falle der Tschechei-Besetzung ausgesprochen empfindlich gegenüber Deutschland. Hier stehen in Wahrheit nicht nur Hitlers gebrochene Versprechen auf der Tagesordnung und nicht nur das Selbstbestimmungsrecht der Tschechen. Hier geht es um das Gleichgewicht der Kräfte auf dem Kontinent und um ein noch schlummerndes deutsch-britisches Problem, die früheren deutschen Kolonien. Das soll an späterer Stelle dieses Buche behandelt werden.

    Das Deutsche Reich ist mit dem Protektorat Tschechei ein Stück zu stark geworden. Das widerspricht dem Jahrhunderte alten Prinzip der englischen Außenpolitik, keine Vormacht auf dem Kontinent zu dulden. Der englische Oppositionsführer Churchill hat das schon ein Jahr zuvor beim Besuch des Außenministers von Ribbentrop konkret so ausgedrückt, als er dem Gast aus Deutschland sagte:
    „ Wenn Deutschland zu mächtig wird, werden wir es wieder vernichten". 216 Hitlers rücksichtsloses Vorgehen gegenüber der Tschechei hat Kräfte auf den Plan gerufen, denen Deutschland – wie die nächsten Jahre zeigen – nicht gewachsen ist.

    England hätte hier zum Schutz der Tschechen und zur Strafe für gebrochene Versprechen eine Grund gehabt, gegen Deutschland Krieg zu führen. Doch die Londoner Regierung fühlt sich trotz ihrer grandiosen Überlegenheit zur See, selbst im Verein mit der Land- und Luftmacht Frankreich, trotz der ihr angebotenen 30 Sowjet-Divisionen und mit den Heeresdivisionen, die die Tschechen selbst zum Schütze ihres Landes stellen können, noch nicht stark genug für einen Waffengang gerüstet. So erklärt sie den Tschechen, daß das Schutzversprechen von München nicht mehr gilt und lassen den Anlaß ungenutzt verstreichen. Damit gilt wieder Friedenspflicht.

    Gäbe es nach verstrichenen Kriegsanlässen und Kriegsgründen keine solche Friedenspflicht, dann hätte auch das Deutsche Reich jederzeit das Recht gehabt, nach dem aufgezwungenen Versailler Vertrag bei günstiger Gelegenheit von sich aus neue Kriege zur Tilgung des erlittenen Unrechts anzuzetteln. Daß England genau wie Frankreich nach dem Verstreichenlassen dieses Kriegsanlasses nun in englisch-polnischen und in französisch-polnischen Geheimgesprächen die Weichen für einen deutsch-polnischen Konflikt um Danzig stellt, ist mit der

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    v. Ribbentrop, Seite 97
    Tschechei nicht mehr zu rechtfertigen. Es ist ein eigener Anlauf, um mit der Hilfe Polens nach erfolgter eigener Aufrüstung doch noch zu einem Kriege mit dem Deutschen Reich zu kommen. Doch das soll erst das Thema im letzten Teil des Buches sein.

    Auch weitere Länder lehnen die Angliederung der Tschechei als Protektorat an Deutschland ab, jedes auf seine ganz bestimmte Weise. Frankreich legt Protest in Deutschland ein und beginnt sehr bald, Fühler nach Polen und nach Rußland auszustrecken, um sich mit Warschau und mit Moskau für einen Krieg mit Deutschland abzustimmen, ein Krieg, der bis zur der Zeit bei der deutschen Reichsregierung noch gar nicht auf der Tagesordnung steht. Polen, bisher Komplize Deutschlands bei der Zerteilung der Tschechoslowakei, wechselt schnell die Seite und beginnt die schon erwähnten Geheimgespräche in Paris und London. Die Sowjetunion verurteilt den deutschen Einmarsch und vertritt die Rechtsauffassung, daß die Hitler-Hacha-Übereinkunft verfassungswidrig sei, weil sie ohne die Zustimmung des Parlaments in Prag getroffen worden sei. Doch auch in Moskau geht es mehr um Macht und Vorteil als um Moral und Recht. So erhebt die sowjetische Regierung keinerlei Einwände gegen die gleichzeitige Annexion der Karpato-Ukraine durch die Ungarn. Dies kleine Stückchen tschechoslowakischer Ukraine ist Moskau als Basis einer gesamtukrainischen Bewegung stets

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