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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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greifen stets auf sein Buch „Mein Kampf zurück. Da beschreibt der 34 Jahre alte Hitler sein Weltbild und Programm, wie er es 1924 sieht. Das Buch reflektiert viele der Probleme Deutschlands zu jener turbulenten Zeit. Es ist antisemitisch und zu Teilen aggressiv. Doch ab etwa 1930 erklärt Hitler selbst, daß er dieses Buch unter den ganz konkreten Zeitumständen der frühen 20er Jahre zu Papier gebracht hat. 1923 wird Deutschland von einer totalen Geldentwertung heimgesucht, und 1921 und 1923 besetzen französische und belgische Truppen mitten in einem Frieden, der offensichtlich keiner ist, erst Frankfurt, dann Düsseldorf, Duisburg und Ruhrort und dann das ganze Ruhrgebiet. Ab 1930 versichert Hitler, als er in der Politik Gewicht bekommt, mehrfach in seinen Briefen und Reden, daß sein Buch „Mein Kampf unter dem überwältigenden Eindruck jener Ereignisse entstanden ist, und daß er nun keine Auseinandersetzungen mehr mit Frankreich wünscht.

    Die Verlockung, dies zu glauben, muß man den Deutschen 1933 so zugute halten, wie man es sich heute selber zugesteht, auf die späte Mäßigung und Reife früher radikal gewesener Politiker zu setzen. Theodor Heuss, der erste deutsche Nachkriegs-Bundespräsident, schreibt 1931 das Buch „Hitlers Weg". 1968 wird dieses Heuss-Buch über Hitler mit einem Vorwort des Historikers Prof. Jäckel neu herausgegeben. Er schreibt:
    „Seit dem September 1930 war Hitler nicht nur im Ton maßvoller. Auch in
    der Sache sprach er anders. Eine Regierungsübernahme oder doch -betei
    ligung schien in den Bereich des Möglichen gerückt, und aus Hitlers Re
    den verschwanden fast von einem Tag auf den anderen vor allem die
    Kriegs- und Eroberungspläne. ... Wer mochte „Mein Kampf" und die
    früheren Reden wörtlich nehmen, nachdem Hitler das selbst desavouierte?
    Ganz abgesehen davon, daß es zu wahnsinnig erschien, als daß man es
    vorher hätte ernst nehmen können." 2
    Kurze Zeit nach Hitlers Amtsantritt bringt der deutsche Botschafter in Oslo Ernst von Weizsäcker den gleichen Gedanken zu „Mein Kampf in einem Brief nach Deutschland zu Papier:
    „Man wird ja aus Büchern doch nicht klug. Ich las jetzt das etwas veral
    tete Buch von Hitler „Mein Kampf". Am meisten Eindruck macht mir zu
    Beginn die Warmherzigkeit gegenüber dem sozialen Elend. Das ist kein
    Reaktionär! Unserein muß die neue Ära stützen. Denn was käme denn
    nach ihr, wenn sie versagte. Natürlich muß man ihr auch mit Erfahrung,
    3
    Auslandskenntnis und allgemeiner Lebensweisheit beiseite stehen."
    So vermittelt Hitler dem deutschen Hörer oder Leser 1930 oder 33 nicht den Eindruck, daß er Deutschland eines nicht so fernen Tages in den Krieg führt.

    Heuss, Seite XXXVI v. Weizsäcker-Papiere, Seite 70

    Der Offenbarungswert der Hitler-Reden

    Historiker und Leser von heute sind geneigt, ihr Wissen vom Dritten Reich und von dessen schlimmem Ende aus Hitlers frühen Reden „herauszuhören". Doch der Hörer von 1930 oder 1934 hat den Kenntnisstand von 1950 oder 1960 nicht gehabt. Es fehlen ihm zur Zeit der Reden die vielen Assoziationen, die den Nachkriegshörern oder Lesern dieser Reden automatisch kommen.

    Dieses Phänomen hat auch das Theodor-Heuss-Archiv beschäftigt, als es 1968 daran geht, das Buch des inzwischen Altbundespräsidenten Heuss „Hitlers Weg" aus dem Jahre 1932 neu herauszugeben. Heuss, damals für die Deutsche Demokratische Partei als Abgeordneter im Reichstag, beschreibt Hitlers Laufbahn und Programm. Er kritisiert beides analytisch sauber, doch ohne jedes bißchen Schärfe und Polemik. Das ist dem Heuss-Archiv nach dem Kriege offensichtlich so peinlich und verdachterregend, daß es einen renommierten Historiker beauftragt, die Neuauflage mit einem Vorwort und mit Erklärungshilfen zu versehen. Professor Jäckel, der das Vorwort schreibt, fordert die Leser dieses Heuss-Buches von 1932 über Hitler und die NSDAP auf, „zwei gedankliche Operationen zu vollziehen", wenn sie sich vor schnellen Fehlurteilen hüten wollen. Anders – so Jäckel – sei das Buch als historische Quelle nicht zu verstehen. Dem Leser rät er:
    „Er muß für eine gewisse Zeit alle seine Kenntnisse der späteren Dinge
    aus dem Gedächtnis verbannen, sich in die damalige Zeit versetzen, und
    er muß sich die Umstände und die Umgebung des Autors zu jener Zeit vor
    Augen führen. ...Im Herbst 1931 war all das, was wir heute wissen –
    Machtergreifung, Herrschaft, Verbrechen, Krieg und Ende des

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