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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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ist, Kriege zu riskieren und sogar Kriege selber zu beginnen.

    Der trügerische Schlüssel zu Hitlers „Langzeitplan"

    Hitlers Reden könnten Antwort auf zwei Fragen geben. Die erste ist die nach dem, was Hitler wirklich wollte. Was dabei von besonderer Bedeutung ist, ist wann welche Pläne bei ihm reiften. Es kann durchaus sein, daß dabei zwischen reif und spruchreif Unterschiede liegen. Das letztere, wann Hitler was für spruchreif hält, führt geradewegs zur zweiten Frage: Wann hat die deutsche Öffentlichkeit im allgemeinen und wann die Wehrmacht im besonderen erfahren, was die wahren Absichten des „Führers" sind.

    Die vorherrschende Auffassung der deutschen Zeitgeschichtler ist, daß Hitler seine Pläne als geschlossenes Gedankengebäude lange vor der Machtergreifung 1933 faßt, und daß er den gesamten Weltkrieg nach einem früh entworfenen „Langzeitplan" geführt hat. Dagegen sprechen viele Fakten. Hitlers Reden allerdings vermitteln oft den Anschein, daß es so gewesen sei. Dies hat wohl zwei Gründe. Zum einen interpretiert Hitler selbst das, was geschehen ist, gern im nachhinein als Erfüllung seines bisherigen Wollens und als Absicht, die er schon immer hatte. Zum anderen gibt der Verlauf des Krieges mancher frühen HitlerÄußerung und mancher Rede nachträglich die Bedeutung, die man ihr aus heutiger Sicht auch durchaus unterstellen kann.

    Wer Hitlers Buch „Mein Kampf und seine Reden chronologisch liest, stellt fest, daß der Diktator – nicht anders als zu erwarten – seine Auffassungen immer wieder dem damaligen Wandel der Weltereignisse anpaßt. Damit ändern sich im Laufe der Jahre auch seine Vorlieben und Abneigungen für und gegen unsere Nachbarländer. So steigen England, Frankreich, die Sowjetunion und Polen in seiner Gunst und seinem Haß wechselweise auf und ab. Auch das relativiert die heute oft gehörte Meinung, man hätte alles, so wie es gekommen ist, von Anfang an durchschauen können.

    Des weiteren bewegt sich Hitler über lange Phasen seiner Zeit in einer Vorstellungswelt, die man als nebulös oder auch als visionär bezeichnen kann. Die Nachkriegsgeschichtsschreibung deutet diesen Nebel oder diese Visionen meist von Ausgang des Geschehens her. Sie „stellt dabei fest", was Hitler mit dieser oder jener Redewendung gemeint und angekündigt hat. Doch was vom Ende des Geschehens her plausibel scheint, muß nicht in jedem Falle richtig sein. Hitler hätte seine oft nur nebulösen Vorstellungen bei anderem Verlauf der späteren Ereignisse durchaus auch in ganz anderer Weise in die Tat umsetzen können. Diese Erkenntnis ist sehr wichtig, wenn man aus Kenntnis des bösen Endes von 1945 den Schluß zu ziehen wagt, daß die Leser oder Hörer der Hitler-Schriften oder -Reden schon Jahre vorher hätten sehen müssen, wohin die Dinge treiben.

    Als Hitler 1938 Österreich an das Deutsche Reich anschließt, ist es Dr. Schuschniggs Handstreich mit der unkorrekten „Überraschungs-Volksabstimmung", die den deutschen Einmarsch auslöst und keine Langzeitplanung des Diktators. Vor dem Angriff gegen Polen 1939 spricht Hitler vor den Generalen mehrmals davon, daß er erst für die Jahre 1943/44 mit einem neuen Kriege rechnet. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in das Nachbarland weiß er dann nicht, was er mit dem eroberten Polen anfangen soll. Der Heeresverbindungsoffizier von Vormann im „Führerbegleitkommando" schildert Hitlers Ratlosigkeit in dieser Frage zu einem Zeitpunkt, da Polen schon fast ganz in deutscher Hand ist 1 . Das läßt nicht vermuten, daß Hitler Polen als Gebietserweiterung in einer Langzeitplanung je auf der Agenda hatte.

    Desgleichen sind die Kriege gegen Großbritannien und Frankreich schon im Jahre 1940 alles andere als Hitlers Absicht oder Planung. Auch die Ausweitung des Krieges nach Norwegen im hohen Norden und auf den Balkan und nach Libyen im tiefen Süden verdankt Hitler eher den Strategien der Engländer und Italiener als einem eigenen Plan. Selbst wenn Hitler einen Langzeitplan entwickelt haben sollte, ist der Krieg nicht nach ihm abgelaufen. Damit sind zwei Fragen offen. Die erste ist, ob der „Führer" seine Strategie den deutschen Bürgern und dem deutschen Militär eröffnet hat. Die zweite ist, ob die deutschen Bürger und Soldaten die Katastrophe des Krieges von 1939 bis 1945 vor Beginn des Krieges gegen Polen hätten kommen sehen müssen.

    v. Vormann, Seite 14

    Hitlers Buch „Mein Kampf"

    Die ersten Rückbezüge der Hitler-Deutung

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