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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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und Franzosen Deutsche machen zu können, ist uns
    genauso fremd, wie wir uns leidenschaftlich gegen jeden umgekehrten Ver
    such wenden. ... Es wäre ein Glück für die Welt gewesen, wenn im Vertrag
    von Versailles diese Realitäten auch im Bezug auf Deutschland gewürdigt
    worden wären. ... Eine überlegte Behandlung der Probleme hätte damals
    im Osten ohne weiteres eine Lösung finden können, die den
    verständlichen Ansprüchen Polens genauso wie den natürlichen Rechten
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    Deutschlands entgegengekommen wäre."

    Domarus, Band 1, Seite 273

    Abb. 7: Adolf Hitler vor dem Reichstag am 17. Mai 1933
Rechts: Staatssekretär Hans Heinrich Lammers, im Hintergrund: Hermann Göring
als Reichstagspräsident

    Hitler kann 1933 sicher sein, daß er damit den deutschen Menschen aus der Seele spricht. Und welcher deutsche Bürger kann nach solch einem Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht der Völker ahnen, daß Hitler sich sechs Jahre später bei der Besetzung der Tschechei nicht mehr an das Gesagte hält.

    Ganz ähnlich klingt eine Hitler Rede vom 27. Mai 1933:
    „ So sehr wir als Nationalsozialisten es ablehnen, aus fremden Völkern
    Deutsche machen zu wollen, so fanatisch wehren wir uns gegen den Ver
    such, den deutschen Menschen seinem Volke zu entreißen. So sehr uns die
    Erkenntnis bewegt, daß der Krieg Leid und Elend über die Menschen
    bringt, so sehr verpflichtet uns die Liebe zu unserer Heimat, für diese ein
    zutreten. Der Nationalsozialismus kennt keine Politik der Grenzkorrektu
    ren auf Kosten fremder Völker. Wir wollen keinen Krieg nur zu dem Zweck,
    um einige Millionen Menschen vielleicht zu Deutschland zu bringen, die
    gar keine Deutschen sein wollen und es auch gar nicht sein können. Wir
    werden niemals fremde Menschen zu unterwerfen versuchen, ..." 9

    Domarus, Band 1, Seite 279
    Diese Hitler-Rede gleicht in ihrem Kern der Wilson-Rede vom 11. Februar 1918, in der Wilson der deutschen Reichsregierung zusagt, daß es bei einem Friedensschluß keine territorialen Annexionen gegen den Willen der betroffenen Bevölkerungen geben wird. Daß Hitler später das Selbstbestimmungsrecht der Völker mit der gleichen Skrupellosigkeit mißachtet, wie vor ihm die Sieger in Versailles, Trianon und Saint-Germain, können Bürger und Soldaten in Deutschland 1933 nach solchen Reden nicht vermuten.

    Hitlers Reden und Aufrufe für Frieden und soziale Gerechtigkeit, für technischen Fortschritt und Vollbeschäftigung treffen die Nöte und die Wünsche der deutschen Bevölkerung. Und da die Versprechungen in Hitlers ersten Herrschaftsjahren auch verwirklicht werden, sieht die Mehrheit der Deutschen teils zustimmend, teils zähneknirschend über die Schattenseiten der neuen Diktatur hinweg. Die Unterdrückung oppositioneller Kräfte und die Verfolgung der Minderheiten sind im Urteil der Bevölkerung nach den Zeiten der Hungersnot, der Arbeitslosigkeit und des Bürgerkriegs in vielen deutschen Landesteilen offensichtlich so etwas wie ein kleineres Übel. Die Perspektive jener Zeit rückt viele Dinge in Prioritäten, die nicht die heutigen sind. So schreibt ein gewisser Gustav Adolf Gedat, ein Funktionär des Christlichen Vereins Junger Männer (CVJM), der Deutschland in der Weltorganisation des CVJM vertritt, 1934 in seinem Buch „Ein Christ erlebt die Probleme der Welt":
    „Der Kapitalismus hat abgewirtschaftet, die alten Systeme zerfallen. Ge
    lingt das gewaltige Werk des Nationalsozialismus, wird dies einzigartige
    Programm erfüllt, dann liefert Deutschland der Welt den Beweis, daß es
    einen Weg aus dem Chaos der Gegenwart gibt, der zwingend auch der
    Weg der anderen wird. ... Hier liegt das Ungeheure, das Gott unserem
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    Deutschland und seinem Führer als Aufgabe gestellt hat."
    Auch Gedat hat zu der Zeit die Welt von 1939 nicht gekannt.

    Die Friedensreden prägen das Hitler-Image bis 1939. Immer wieder betont er in Interviews, Reden und Gesprächen, daß er als Soldat des vergangenen Weltkriegs die Leiden kennt, die Kriege für Völker und Soldaten bringen. Er schwört so oft Frieden, bis man mit rationalen Gründen nicht mehr an seinen Friedenswillen zweifeln kann. Selbst bei Anlässen, die dazu verleiten könnten, unterläßt er jedes Säbelrasseln. Hitlers Ansprachen zu den jährlich wiederholten Tagen der Wehrmacht, selbst seine Vereidigungsreden vor Rekruten der Waffen-SS enthalten keine Töne, die darauf schließen lassen, daß Hitler einen Krieg beginnen und andere Völker unterwerfen will.

    Hitler ruft

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