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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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die Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS immer wieder dazu auf, „Wache für Deutschland" zu stehen. Diese Redensarten prägen das Selbstverständnis der neuen Wehrmacht bis in den Krieg hinein. Die Soldaten sehen

    Gedat, Seite 30
    sich selbst als die Beschützer von Volk und Land und Heimat. In einem Aufruf Hitlers vom 14. Oktober 1933 liest man:
    „Die deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk sind sich einig in
    dem Willen, eine Politik des Friedens, der Verantwortung und der Ver
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    ständigung zu betreiben."
    Wer kann da widersprechen?

    Beim Neujahrsempfang für das diplomatische Korps am 1. Januar 1935 spricht er von dem „heißen Wunsch der Menschheit nach Erhaltung des Friedens" und sagt:
    „Kein Land kann das Bedürfnis nach Frieden tiefer empfinden als
    Deutschland." 12
    Beim Neujahrsempfang im Jahr darauf, 1936, drückt er die Erwartung auf „wirklichen Frieden" aus. In einem Zeitungsinterview mit dem englischen Journalisten Ward Price im DAILY MAIL vom 17. Januar 1935 liest sich Hitler so:
    „ Wenn ich vom Frieden rede, drücke ich nichts anderes aus, als was der
    tiefinnerste Wunsch des deutschen Volkes ist. ... Ich kenne die Schrecken
    des Krieges. .. . Was ich will, ist das Glück meines Volkes! Ich habe nicht
    gesehen, daß der Krieg das höchste Glück ist, sondern im Gegenteil, ich
    sah nur tiefstes Leid. Ich spreche daher zwei Bekenntnisse ganz offen aus:
    1. Deutschland wird von sich aus niemals den Frieden brechen und,
    2. wer uns anfaßt, greift in Dornen und Stacheln! Denn ebenso wie wir 13 den Frieden lieben, so lieben wir die Freiheit."
    Das Interview, das zwei Tage später auch im „Völkischen Beobachter" veröffentlicht wird, spricht sehr geschickt die Friedenssehnsucht sowohl der englischen als auch der deutschen Erste-Weltkriegsgeneration an.

    Auch vor den „Braunen" klingt Hitlers Botschaft in den ersten Jahren seiner Kanzlerschaft nicht anders. Am 30. Januar 1936 spricht „der Führer" im Berliner Lustgarten vor 30.000 Männern der SA. Es ist eine Rede über die Interna der SA. Doch auch hier versäumt es Hitler nicht, das Thema Frieden zu berühren.
    „ Wir wollen zugleich aber auch ..., einfriedliebendes Element unter den
    anderen Völkern sein. Wir können das nicht oft genug wiederholen. Wir
    suchen den Frieden, weil wir ihn lieben." 15
    Auch Hitlers Wahlkampfreden ab 1933 enthalten stets Appelle für den Frieden in der Welt. In all den Jahren bis 1939 nutzt Hitler unzählige Gelegenheiten, um sich vor großen Menschenmengen mitzuteilen. Er gibt Interviews für Presse aus dem In- und Ausland. Er hält Ansprachen und Vorträge vor Bauern, Industriellen, Werftarbeitern, Parteileuten, Bänkern, Fabrikarbeitern, Lehrern, Soldaten und

    Domarus, Band 1, Seite 304
Domarus. Band 1, Seite 467
Domarus. Band 1, Seite 476
Parteifarbe der NSDAP
Domarus, Band 1, Seite 571
    anderen Gruppen. Er nutzt Messen, Stapelläufe, Autobahneröffnungen, Einweihungsfeiern für Sportstadien und andere spektakuläre Anlässe, um Medien und Menschen anzusprechen. Fast immer arbeitet er bei diesen Reden ein Repertoire von „Botschaften" ab, mit denen er die öffentliche Meinung für sich einfängt.

    Die Botschaft „Frieden" wird dabei so oft wiederholt, bis viele Deutsche sie für ein Stück von Hitlers Wesen halten. Als sich mit der Besetzung der Tschechei im März 1939 das Gegenteil erweist, paßt das so wenig zu dem Bild, das man sich in Deutschland gemeinhin von Adolf Hitler macht, daß man zunächst versucht, die schlimme Wirklichkeit dem falschen Friedensimage des „Führers" anzupassen. Das klingt nach Irrationalität. Doch die deutsche Presse liefert mehr oder weniger plausible Erklärungen für das, was das Deutsche Reich 1939 erst gegen die Tschechei und dann im gleichen Jahr noch gegen Polen unternimmt. Und auch das gehört zu dieser irrationalen Wirklichkeit: die beiden Länder Tschechei und Polen sind für Hitler und die deutsche Presse oft selbst die Stichwortgeber. Die menschenverachtende Behandlung der Deutschen in Polen und in der Tschechoslowakei, die Flüchtlingsströme, die aus beiden Staaten kommen, die Brüche von Verträgen und die Mobilmachungen zum falschen Zeitpunkt geben der deutschen Presse reichlich Stoff, um Hitlers Handeln einen Sinn zu unterlegen.

    Hitlers Ruf nach Frieden heißt nie „Frieden um jeden Preis". Trotz aller bitteren Erfahrungen aus dem vergangenen und verlorenen Ersten Weltkrieg findet das in Deutschland Akzeptanz. Sowie man in der

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