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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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endet das berühmte Hoßbach-Protokoll. Der zweite Teil der Besprechung vom 5. November gilt alleine Rüstungsfragen und ist nicht überliefert.

    Hitler läßt bei dieser Konferenz in kleinem Kreis erstmals erkennen, daß er bei günstiger Gelegenheit auch von sich aus Kriege führen würde. Doch er begrenzt dies auf Österreich und auf die Tschechei. Er spricht von „Testament" und vermittelt damit, daß er jenseits dieser beiden Nachbarländer keine weiteren Ziele sieht. Vom großen Krieg, vom Lebensraum in der Ukraine und von einem späteren Feldzug gegen Bolschewismus und Sowjetunion ist hier nicht die Rede. Selbst seine Einschätzung, daß es auf Dauer zu einem Krieg mit Frankreich kom men wird, relativiert Hitler, indem er wiederholte Male sagt, daß er es zu keinem Krieg mit Frankreich oder England kommen lassen will. Hitler entwirft am 5. November 1937 keinen Plan. Er offenbart seine Absichten in Bezug auf Österreich und auf die Tschechei, spricht von vielen Möglichkeiten und läßt damit letztenendes offen, zu was er sich konkret entschieden hat.

    So ist weder der Verdacht des Nürnberger Militärtribunals berechtigt, die Teilnehmer jener Besprechung im November 1937 hätten „gemeinsam einen Krieg geplant" noch der Verdacht, sie hätten „eine Verschwörung gegen den Frieden" angezettelt. Vielmehr haben von Neurath, von Blomberg und von Fritsch noch im Gespräch und mehrfach später Hitlers Gedankenspielen widersprochen. Vielmehr hat die Heeresführung mit den drei schon erwähnten Denkschriften des Generalstabschefs Beck eindeutig Stellung gegen eine eventuelle Eroberung der Tschechei bezogen. Beck wird entlassen, als er versucht, eine Mehrheit der Generale gegen Hitler aufzubringen. Von einer Verschwörung der sechs Generale und Minister gegen den Frieden kann man da fürwahr nicht sprechen.

    Ob jede Einzelheit und Formulierung, die mit dem in Nürnberg vorgelegten Hoßbach-Protokoll überliefert ist, und ob jeder Ausdruck von Gewaltbereitschaft und Zynismus, den man da lesen kann, wirklich Originalton Hitler ist, läßt sich angesichts der Zweifel an der Echtheit des Papiers nicht sagen. Fälschungen an weiteren Hitler-Reden lassen das nicht unwahrscheinlich sein. Für die Mitwisserschaft und Mitverantwortung der anwesenden Generale und Minister ist entscheidend, was Hitler an jenem 5. November 1937 wirklich sagt. Dazu gehören auch die Wortwahl und Nuancen, die Auslassungen und Ergänzungen.

    Von all' diesem Ringen um eine Politik des Friedens oder Krieges erfahren weder Öffentlichkeit noch Militär in Deutschland. Selbst beim Wechsel des Oberbefehlshabers des Heeres drei Monate danach informiert Generaloberst von Fritsch seinen Nachfolger von Brauchitsch nicht über den Inhalt jener Besprechung. Zu dieser Zeit hätte in Deutschland ohnehin niemand angenommen, daß die Wehrmacht zu anderem dienen könnte, als zum Schutz von Land und Volk. Am 5. November 1937 schließen Deutschland und Polen außerdem ein neues Minderheitenschutzabkommen, was niemanden vermuten läßt, daß Hitler am gleichen Tage über Angriffskriege nachdenkt.

    Für die Öffentlichkeit setzt Hitler sein Werben für den Frieden fort. Die Bevölkerung im Land und mit ihr die Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS haben damit auch nach der Generalsbesprechung vom 5. November 1937 keinen Anlaß, Schlimmes zu befürchten. In der Neujahrsansprache von 1938 zum Beispiel spricht Hitler von der Zukunft der Nation und fugt den folgenden Gedanken an:
    „Außenpolitisch erfordert dies den Ausbau der deutschen Wehrmacht.
    Denn nur als starker Staat glauben wir in einer so unruhevollen Zeit un
    serem Volk jenes Gut auch in Zukunft erhalten zu können, das uns als das
    Köstlichste erscheint, den Frieden. Denn die Wiederaufrichtung der deut

    schen Nation ist erfolgt ohne jeden Angriff nach außen, nur durch die Lei
    stungen unseres Volkes im Innern. ... Daß die Gnade des Herrgotts auch
    im kommenden Jahr unser deutsches Volk auf seinem Schicksalsweg be
    43 gleiten möge, sei unsere tiefste Bitte." Wer mochte bei einer solchen Neujahrsbotschaft schon Schlimmes ahnen?

    Hitlers neuer Ton dem Ausland gegenüber

    Das Jahr 1938 bringt die Sudetenkrise.

    In der Konferenz von München entscheiden die Regierungen von England, Frankreich, Italien und Deutschland, daß die habsburgisch-deutschen Sudetenlande aus der Tschechoslowakei zu lösen und an das Deutsche Reich zu übertragen sind. Der neuerliche Erfolg belebt das Vertrauen der

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