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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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vielen kompromittierenden Formulierungen, die Hitler mit jener zweiten Protokollversion in Nürnberg zugeschrieben werden.

    Anmerkung des Verfassers
ADAP, Serie D, Band VII, Seite 170
z.B.: Gebhardt, Band 4/2, Seite 499
Domarus, Band 2, Seite 1233
ADAP, Serie D, Band VII, Seiten 467 ff und Halder, Band 1, Seiten 23ff
    Ein weiteres Protokoll, das fünfte in der Zählung dieses Buchs, steht im Kriegstagebuch des OKW 88 , geschrieben vom Führer dieses Tagebuchs Helmuth Greiner. Dieses Protokoll bestätigt Boehm in fast allen seinen Punkten. Es korrigiert den Admiral nur dahingehend, daß Hitler offensichtlich doch von einer Zerstörung der Vormachtstellung Englands gesprochen hat, jedoch nicht – wie in der 2. Version suggeriert – als Hitlers politisches Programm, sondern nur als Erwähnung eines Tatbestands. Und Greiner bestätigt, daß Hitler doch davon gesprochen hat, Polen eventuell zum Protektorat zu machen.

    Auch Generalfeldmarschall von Manstein, Zuhörer dieser Hitler-Rede, schreibt später, daß Hitler viele der ihm zugeschriebenen Redewendungen damals nicht gebraucht hat 89 . Großadmiral Raeder sagt in Nürnberg aus:
    „Die Worte sind nach meiner Erinnerung bestimmt nicht gefallen. Der
    Führer pflegte solche Ausdrücke in Ansprachen, die er an die Generale
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    hielt, nicht zu gebrauchen".
    Gleiches bestätigt Generalfeldmarschall Keitel 91 .

    Neben den bereits genannten fünf Versionen von Niederschriften dieser brisanten und oft zitierten Hitler-Rede sind als sechste eine weitere von General Liebmann und als siebte eine von Generaladmiral Albrecht überliefert. Die zwei Versionen sind keine Wortlautwiedergaben.

    Der vermeintliche Echtheitsbeweis von Domarus ist folglich kein Beweis. Die zweite in den Akten des Deutschen Auswärtigen Amts und im Domarus-Archiv abgedruckte Version, von der niemand weiß, von wem sie stammt, ist offensichtlich genauso eine Fälschung wie die erste. Sie kann angesichts der Beobachtung des Dr. Siemers, daß das fragwürdige Dokument zum Teil auf der selben Schreibmaschine wie die erste Falschversion geschrieben worden ist, durchaus vom gleichen Fälscher stammen, der schon die erste „vulgäre" Version verfaßt hat.

    Die zweite Version dient in Nürnberg als „Beweis", daß Hitler die Generalität an jenem 22. August 1939 davon in Kenntnis setzt, daß er die Verhandlungen mit Polen nur zum Schein führt, daß er um jeden Preis Krieg und Landeroberung will, und daß er die Absicht hat, später Großbritannien und Frankreich anzugreifen.

    Als Hitler an jenem 22. August die Heeresgruppen- und Armeebefehlshaber der drei Wehrmachtsteile in seiner Alpenresidenz, dem Obersalzberg, versammelt hat, wissen die hohen Offiziere, daß seit Januar mit Polen um Danzig und den Korridor verhandelt wird. Sie sind sich der Spannungen mit Frankreich und Großbritannien bewußt, die Hitler durch die Unterwerfung der Tschechei im März selbst verursacht hat. Sie haben Kenntnis von den zahllosen Übergriffen gegen die deut

    KTB-OKW, Dokumentenanhang, Seite 947 v. Manstein, Seite 19
    IMT Verhandlungen, Band XIV, Seite 59 Keitel, Seite 247

    sche Minderheit in Polen, von den vielen Grenzverletzungen durch Polen, und sie wissen, daß deutsche Divisionen gegen Polen aufmarschieren. In dieser Lage erwarten die Generale und Admirale Aufschluß über das, was sie erwartet.

    Wenn man die Niederschriften von Greiner, Boehm und Halder zu Grunde legt, eröffnet Hitler der Generalität an jenem 22. August 1939 nicht mehr und auch nicht weniger, als daß er nun nach monatelangen ergebnislosen Verhandlungen mit Polen in Kürze militärisch handeln will. Er verschweigt zwar den eigenen Fehler, den er vor sechs Monaten mit der Besetzung der Tschechei begangen und mit dem er die steife Haltung Polens selbst verursacht hat. Doch die Rede birgt nichts, das die Generale in einer solchen Spannungslage vielleicht überraschen könnte. Sie hören zumindest nichts über weitere Pläne Hitlers, später Frankreich, England, Rußland oder wen auch immer anzugreifen. Wenn das so ist – und daran gibt es wenig Zweifel – dann hat das Internationale Militärgericht in Nürnberg mit seinen zwei entstellten Redeprotokollen nicht nach der Wahrheit sondern nach Belastungsmaterial gesucht. Und das Gericht hat uns und den deutschen Schülerinnen und Schülern ein zweifelhaftes Erbe hinterlassen. Die „prägnanten" Zitate aus der 2. Version halten sich bis heute in den Schulgeschichts- und Gemeinschaftskundebüchern 92

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