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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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einzugehen. Ab jetzt gibt es für Polen keine Garantie mehr, daß Frankreich sich mit aller Kraft jedem deutschen Versuch entgegenstellen würde, die deutsch-polnische Grenzziehung bei Gelegenheit zu revidieren.

    Zwischen 1920 und 1934 wird in Frankreich leidenschaftlich über Recht und Unrecht, Sinn und Unsinn der clemenceauschen Versailles-Politik gestritten. Man erkennt durchaus, daß der Zwist zwischen den Deutschen und den Polen um Danzig und den Korridor ein Werk der eigenen „Friedensordnung" ist. Politik und Medien diskutieren öffentlich, welche Möglichkeiten es denn geben könnte, dieses Dauerrisiko für Europas Frieden zu entschärfen. Für den Durchschnittsfranzosen der 20er und 30er Jahre ist derweil klar, daß er im Falle eines Krieges nicht bereit sein würde, für Polens Interessen in einen weiteren Krieg zu ziehen. Doch das offizielle Frankreich hält es weiterhin für außenpolitisch klug und nützlich, daß es „einen polnischen Fuß in der deutschen Tür" behält.

    Das Verhältnis Polen – Großbritannien

    Großbritannien übernimmt erst kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs die Rolle einer „Schutzmacht" Polens. Die Haltung Londons nach dem Abschluß des Vertrages von Versailles gegenüber Warschau bleibt zunächst lange Zeit sehr distanziert. Man sieht in England durchaus ein, daß man mit der Übereignung

    Französisch-Polnischer Garantievertrag vom 16. Oktober 1925
Roos, Planung Polens, Seite 190
Roos, Planung Polens, Seite 192 und Gamelin, Bd II, Seiten 230 f
    von zwei Millionen Deutschen an das neue Polen, mit der Konstruktion des Freistaats Danzig und dem polnischen Landkorridor zwischen Ostpreußen und dem Reich selbst die Gründe für einen nächsten Krieg geschaffen hat. Schon während der Verhandlungen, die die Sieger in Versailles über das Schicksal der Besiegten führen, legt der britische Premier Lloyd George ein Memorandum vor, in dem er mit einem häßlichen Seitenhieb gegen Polen prophezeit:
    „Der Vorschlag der polnischen Kommission, 2,1 Millionen Deutsche der
    Aufsicht eines Volkes von anderer Religion zu unterstellen, das noch nie
    mals im Laufe seiner Geschichte die Fähigkeit zu stabiler Selbstregierung
    bewiesen hat, muß meiner Beurteilung nach früher oder später zu einem
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    neuen Krieg in Osteuropa führen. ..."
    Die Distanz, die London gegenüber Warschau hält, nährt sich außerdem aus der Minderheitenpolitik in der Ukraine. Die große Gruppe der ukrainischen Emigranten im britischen Kanada sorgt dafür, daß die unwürdige Behandlung der Ukrainer in Galizien in England nicht unbeachtet bleibt.

    Obwohl England 1919 selber dazu beigetragen hat, Polen durch einen Korridor zur Ostsee und durch die Hafenrechte in der Stadt Danzig zur Seemacht zu erheben, will es sich dadurch nicht auf Dauer binden lassen. Polens neue Flotte dient nach Großbritanniens Kalkül zwar dazu, Teile der Ostseeflotten der Sowjetunion und Deutschlands bei zukünftigen Auseinandersetzungen in diesem Binnenmeer zu binden, doch Garantien will England deshalb trotzdem nicht für Korridor und Danzig geben. In London will man, daß das neue Polen die Sowjets und die Deutschen fesselt und nicht England. Das muß Polens Staatschef Piłsudski bald erfahren.

    1925, während der Locarno-Verhandlungen, versucht Piłsudski vergeblich, eine Garantie der Briten für die deutsch-polnischen Grenzen zu erhalten. Außenminister Chamberlain erklärt daraufhin ausdrücklich, daß England keine Garantie für diese Grenzen übernehmen werde. Londons Außenpolitik spiegelt in dieser Frage offensichtlich auch die öffentliche Meinung im eigenen Lande wider. Der MANCHESTER GUARDIAN befindet, daß England die Grenzen Polens niemals garantieren werde. Und die TIMES schreibt, daß die neuen Grenzen in Osteuropa nicht mehr haltbar seien. Als Polen die Frage der Garantie seiner Grenzen auf der Septembertagung des Völkerbundes 1927 erneut zur Sprache bringt, muß es zur Kenntnis nehmen, daß die englische Regierung das nach wie vor nicht will. Das politische Klima in Großbritannien wendet sich statt dessen eher gegen Polen. Churchill, zu der Zeit Abgeordneter der Konservativen, sagt am 24. November 1932 in einer Rede vor dem Unterhaus:
    „ Wenn die englische Regierung wirklich wünscht, etwas zur Förderung
    des Friedens zu tun, dann sollte sie die Führung übernehmen und die Fra

    Burneleit, Seite 22 (Memorandum Lloyd George vom 25. März 1919 mit dem Titel „Einige Erwägungen für die Friedenskonferenz,

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