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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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einem Krieg gegen die Westmächte gerechnet. Nun aber „müsse er sich zuerst Polen zuwenden". Wörtlich ist aus der Rede überliefert:
    „ Das Verhältnis zu Polen ist untragbar geworden. Meine Vorschläge an
    Polen zu Danzig und zum Korridor wurden durch das Eingreifen Eng
    lands gestört. Polen änderte seinen Ton uns gegenüber. Der Spannung
    szustand ist auf die Dauer unerträglich. ... Jetzt ist der Zeitpunkt günstiger
    164
    als in zwei oder drei Jahren."
    Hitler erwähnt auch, daß er den Entschluß zum Angriff schon im Frühjahr 1939 gefaßt habe. Wenn er hier die Wahrheit sagt, ist das die Zeit nach Polens Schwenk ins Lager der Briten und Franzosen.

    In den letzten Tagen vor dem Kriegsbeginn wird Hitler immer wieder schwankend. Er bekundet mal, daß er nun auf Krieg setzt, mal daß er immer noch auf das Einlenken der polnischen Regierung hofft. So vertraut er am Vormittag des
    24. August Staatssekretär von Weizsäcker unter vier Augen an, daß er glaubt, England werde Polen doch noch fallen lassen und Warschau werde zugestehen, was er verlangt. 165
    Nach dem Wechsel der Sowjets auf die deutsche Seite ist diese Hoffnung auch nicht mehr ganz unberechtigt.

    Hitler ist auf Erfolg versessen und offensichtlich nicht unbedingt auf Krieg. Ein Erfolg wäre es in seinen Augen auch gewesen, die Danzig-Frage und das Transitproblem mit dem Schachzug des Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakts und durch die Drohung mit dem Aufmarsch von 52 Heeresdivisionen allein zu

    162
    Domarus, Band II, Seite 1226
    163
    v. Weizsäcker-Papiere, Seite 181
    164
    Jacobsen, Seite 99
    165
    v. Weizsäcker Erinnerungen, Seite 253
    lösen, ohne Krieg zu fuhren. Diese Lösung hätte die Serie seiner bisherigen Erfolge in einer für ihn innenpolitisch vorteilhaften Weise fortgesetzt. Adolf Hitler hat sich bis zu diesem Zeitpunkt wiederholte Male selbst gerühmt, die Besetzung des Rheinlands, die Heimkehr der Sudetenlande, Österreichs und des Memelgebiets und sogar die Annexion der Rest-Tschechei ohne Krieg und Blutvergießen durchgesetzt zu haben.

    Selbst in den letzten vier Tagen, bevor die Wehrmacht zum Angriff gegen Polen antritt, zieht Hitler sein Angebot „Danzig gegen Frieden" nicht zurück. Zunächst ist es noch das alte Angebot, Danzig und Transitwege gegen die Anerkennung der polnischen Gebietsgewinne von 1920 bis 1923 zu Lasten Deutschlands. Am 30. August erhöht Hitler den Preis für Polen. In dem schon erwähnten letzten Angebot, das der polnische Vertreter nicht mehr entgegennimmt, verlangt Hitler außer Danzig und den Transitwegen eine Volksabstimmung in WestpreußenPomerellen. Die Mehrheit der dortigen Bevölkerung soll nach Hitlers neuem Vorschlag den Ausschlag geben, ob das Gebiet zurück zu Deutschland kommt oder ob es polnisch bleibt. Auch dieser Vorschlag in Anlehnung an die inzwischen international anerkannte Regel des Selbstbestimmungsrechts der Völker ist noch moderat. Zum Schluß drängt Hitler, daß Polen gibt, was es ein Jahr lang nicht verhandeln wollte. Hitler will Danzig oder Krieg und Polen wählt den Krieg.

    Nach dem Krieg ist argumentiert worden, Hitler habe sein letztes Verhandlungsangebot mit der Forderung nach einer Volksabstimmung in Westpreußen-Pomerellen nur als Vortäuschung einer nicht vorhandenen Absicht unterbreitet. Er habe in den letzten Tagen vor dem Krieg nicht mehr ernstlich nach einer friedlichen Konfliktlösung gesucht, sondern Krieg mit Polen um jeden Preis gewollt. Der letzte Kompromißvorschlag an Polen macht diese Annahme ziemlich unwahrscheinlich. Wenn Hitler Krieg um jeden Preis hätte haben wollen, hätte er die Forderungen an Polen so hoch geschraubt, daß auch England den Polen nicht mehr zum Verhandeln hätte raten können. Er hätte vor allem nicht bis zum Nachmittag vor Kriegsausbruch deutsch-polnische und deutsch-englische Verhandlungen führen lassen.

    Auch aus der Zeit des Feldzugs gegen Polen gibt es einen Hinweis, daß Hitler zwar den Krieg mit hohem Risiko in Kauf genommen, doch nicht sicher eingerechnet hatte. Oberstleutnant von Vormann, Heeresverbindungsoffizier im Gefolge Hitlers, schildert dessen allabendliche Monologe, in denen er in kleinem Kreis versucht, sich selbst Klarheit über seine nächsten Schritte zu verschaffen. Von Vormann berichtet aus der Zeit in Polen:
    „ Über die zukünftige Gestaltung des polnischen Staates sprach Hitler oft
    viele Stunden lang. Er war sich keineswegs selbst klar, was er eigentlich
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    wollte. Er rang sich auch zu keinem

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