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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

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Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Entschluß durch."

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    v. Vormann, Seite 14

    Hitlers Ratlosigkeit zu dieser Zeit läßt darauf schließen, daß er Polen im Herbst 1939 eigentlich noch nicht auf seiner Rechnung hatte. Anderenfalls hätten er und seine Berater längst ein Konzept für ein besiegtes Polen parat gehabt.

    Die Abfolge der Hitlerschen Handlungen und Reaktionen im letzten Jahr vor Kriegsbeginn läßt – trotz aller seiner kriegerischen Redensarten – darauf schließen, daß der Diktator erst nach dem Scheitern einer „kleinen DanzigLösung" zur „großen Polen-Lösung" greift. Der lange Weg vom Verhandlungsvorschlag über die Vorbereitung eines Danzig-Handstreichs, über weitere Verhandlungsvorschläge, über die Vorbereitung eines Eventualplans für den Krieg gegen Polen, über drängende Forderungen an die polnische Regierung, über die Bitte an England, in der Danzig- und Transitfrage zu helfen, bis zum Angriff gegen Polen läßt nicht den Schluß zu, daß Hitler Polen von Beginn an erobern und zerstückeln wollte.

    Adolf Hitler hat sich die Chancen, Danzig diplomatisch heimzuholen, selbst verdorben, als er gegen sein Versprechen im Frühjahr 1939 die Rest-Tschechei besetzen läßt und zum Protektorat erklärt. Er hat sich diesen strategischen, politischen und moralischen Fehler offensichtlich nie selber eingestanden. Er betrachtet sich vielmehr als Opfer der Infamie der Polen, die sie sich erst Oderberg und Teschen nehmen und dann, statt etwas dafür zurückzugeben, zum Gegner überlaufen. Hitler hätte die Danzig-Frage und das Transitproblem ohne jenen kapitalen Tschechei-Fehler und mit mehr Geduld sicherlich auch ohne Krieg zum Erfolg geführt, weil Polens Positionen in dieser Sache historisch, ethnographisch und völkerrechtlich auf sehr schwachen Füßen stehen. Hitlers Haltung gegenüber Polen hätte nicht notwendigerweise zum Krieg mit Polen führen müssen. Doch zum Schluß ist es offensichtlich nicht mehr in erster Linie die Danzig-Frage, die Hitler zur falschen Eile treibt. Es ist der Überdruck in Polens Minderheiten-Kessel, der die Dinge eskalieren läßt. Der Sommer 1939 hat insofern große Ähnlichkeit mit dem Frühjahr 1999. Die Behandlung der Deutschen und Ukrainer im Vielvölkerstaat Polen wühlt die Gemüter in Deutschland 1939 genauso auf, wie 60 Jahre später die Repressionen der Serben gegen die Albaner im Vielvölkerstaat Jugoslawien die Menschen in Europa zur Empörung bringen. Die Verschärfung der Lage der deutschen Minderheit und die Weigerung der Polen, weiter über Danzig zu verhandeln, treibt Hitler im August 1939 zur falschen und fatalen Lösung. Er löst den Zweiten Weltkrieg aus.

    Roosevelts Rolle im Streit um Danzig

    Zum Jahreswechsel 1938 auf 1939 laufen nach wie vor die deutsch-polnischen Gespräche. Sowohl Franzosen als auch Briten zeigen zu der Zeit so gut wie keine Neigung, zum Nutzen Polens und zum Schaden Deutschlands einen nächsten Krieg zu führen. Zum einen sind sie gerade erst erleichtert, den deutsch-tsche chischen Streit um die Sudeten friedlich beigelegt zu haben. Zum anderen haben sich die Polen im Oktober 1938 gegen den erklärten Willen der Briten und Franzosen an der Tschechoslowakei vergriffen und sich das Westteschener Industriegebiet genommen. Ganz im Gegensatz zu dieser Stimmung entsteht der Eindruck, Roosevelt sei daran gelegen, Europa trotz der gerade erst getroffenen Sudetenregelung doch noch in den Krieg zu treiben.

    William Bullitt, Roosevelts Botschafter und persönlicher Vertrauter in Paris, vermittelt diesen Eindruck, als er Professor Burckhardt, dem Hochkommissar des Völkerbunds für Danzig, am 2. Dezember 1938 seine Einschätzung der Weiterentwicklung der Danzig-Affäre auseinandersetzt. Burckhardt hat das Gespräch in seinem Tagebuch notiert:
    „Er erklärte mir mit merkwürdiger Genugtuung, die Polen seien bereit,
    wegen Danzig Krieg zu führen. ... Im April wird der neue Krieg aus
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    brechen. Niemals seit der Torpedierung der Lusitania
    bestand in
    Amerika ein solch religiöser Haß gegen Deutschland wie heute.
    Chamberlain und Daladier werden durch die öffentliche Meinung
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    weggeblasen werden. Es handelt sich um einen heiligen Krieg. .."
    Hinter Bullitts Worten stehen Taten. Am 4. Januar 1939 läßt Roosevelt die gesamte US-Flotte vom Pazifik durch den Panama-Kanal auf die Atlantikseite zu Manövern in die Karibik laufen. Am gleichen Tage beantragt er weitere 1,3 Milliarden Dollar für die Rüstung im Kongreß und – was zu der Zeit ein

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