Der Krieg, der viele Vaeter gatte
unterbinden. Hier geht es beiden Staaten um ihre eigene Macht und nicht um Polen oder Menschenrechte.
Die andere Facette, die in der deutschen Geschichtsschreibung völlig übergangen wird, ist ein Handel, den Briten und Franzosen bereit sind einzugehen. Während der englisch-französisch-sowjetischen Gespräche im Juli 1939 schraubt die sowjetische Seite ihre Forderungen für eine Allianz gegen Deutschland immer höher. Zu den „Opfern", die die Russen den Briten und Franzosen dabei abverlangen, gehört auch die Überlassung der drei kleinen Baltenstaaten in die Einflußsphäre der Sowjetunion. Der englische Außenminister Halifax nimmt das nur zähneknirschend hin, doch die französische Regierung drängt, eine Allianz mit Rußland daran nicht scheitern zu lassen. 210
Die Allianz scheitert, wie erwähnt, am Einspruch Polens und an der britisch-französischen Weigerung, sich konkret auf die eigene Waffenhilfe festzulegen. So sind Franzosen und Briten im Juli
1939 durchaus dazu bereit, die Balten der „Obhut" der Sowjetunion zu überlassen, um sich die Waffenhilfe der Russen gegen Deutschland dafür einzukaufen. Churchill rechtfertigt die Überlassung der drei Baltenstaaten an die Sowjets in der schon zitierten Unterhausrede am 19. Mai 1939 mit einer angeblichen „Interessengemeinschaft" zwischen Russen, Litauern, Letten und Esten. Er führt dazu aus:
„ Wie steht es mit den baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland, um
derentwillen Peter der Große in den Krieg zog? Rußland hat das größte
Interesse daran, daß diese Länder nicht in die Hände Nazideutschlands
211
fallen."
Vier Wochen später begeht die Deutsche Reichsregierung das gleiche „Verbrechen", das den Briten und Franzosen im Juli 1939 dank des Vetos der Polen nicht gelungen ist: Deutschland überläßt die Letten und die Esten im Molotow-Ribbentrop-Geheimabkommen der Einflußsphäre Rußlands. Um das „Verbrechen" zu präzisieren, muß erwähnt sein, das weder Briten noch Franzosen noch Deutsche den Sowjets zugestehen, Estland, Lettland und Litauen zu annektieren. Die drei Länder gestehen den Russen nur die Einbeziehung der Baltenstaaten in ihre Einflußzone zu. Der Verlauf dieser vergeblichen englisch-französischen Bemühungen, im Juli 1939 ein Pakt mit der Sowjetunion zu schließen, entzaubert die Vorkriegspolitik der beiden Demokratien. Es geht ihnen dabei nicht um Moral und Ideale, es geht allein um Macht.
210
Rassinier, Seite 261 und Benoist-Mechin, Band 7, Seiten 231 ff 211
Churchill-Memoiren, Seiten 454 f
Die deutsch-sowjetische Verständigung
Schon vor der vorgesehenen Unterzeichnung des fertigen Vertrages zwischen London, Moskau und Paris zeichnet sich der Einspruch Warschaus gegen das Zusammengehen der zwei Westmächte mit den Sowjets ab. Berlin nutzt diese Haltung Warschaus und bietet Moskau am 4. August 1939 Gespräche zur Verständigung an. Am 12. August, noch ehe die Militärdelegationen Englands, Frankreichs und der Sowjetunion in Moskau ihre Verhandlungen über einen Feldzug gegen Deutschland angefangen haben, meldet sich der sowjetische Geschäftsträger in Berlin Astachow ein zweites Mal im Auswärtigen Amt beim Leiter des Ost-Europa-Referats Schnurre. Er übermittelt im Auftrag Molotows, daß man „sowjetischerseits an einer Erörterung der einzelnen, bisher zur Sprache gekommenen Fragengruppen interessiert sei". Bei den Fragen, die da interessieren, nennt Astachow das „polnische Problem". 212
Der Russe schlägt auch gleich vor, in Moskau zu verhandeln.
Am 15. August, dem zweiten Tag der britisch-französisch-russischen Verhandlungen, beginnen in Moskau deutsch-sowjetische Gespräche. Botschafter Graf von der Schulenburg sucht Außenminister Molotow auf und bittet um einen Besuchstermin für seinen Minister von Ribbentrop bei Stalin. Molotow begrüßt die deutsche Absicht, eine Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion zu suchen. Dann gibt er dem Grafen gegenüber zu erkennen, woran die Sowjets ein Interesse haben. Das sind vier Angelegenheiten. Zuerst hofft man in Moskau auf einen mäßigenden Einfluß Berlins auf Tokio, denn die Sowjetunion und Japan liegen noch im Krieg. Zum zweiten und zum dritten wünscht Molotow einen Nichtangriffspakt und einen Handels- und Kreditvertrag mit Deutschland. Der vierte Wunsch ist offensichtlich eine Täuschung. Molotow spricht davon, die Baltenstaaten gemeinsam zu garantieren. 213
Graf von der Schulenburg berichtet über den Besuch bei Molotow
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