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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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unverzüglich nach Berlin. Bemerkenswert ist, daß er dem Bericht am Tag darauf einen Kurzbrief folgen läßt, in dem er seine Zweifel daran äußert, daß die Sowjets wirklich den Bestand der Baltenstaaten gemeinsam mit den Deutschen garantieren wollen. 214
    Jener Kurzbrief vom 16. August kreuzt sich mit der nächsten Weisung aus Berlin. In dieser sichert von Ribbentrop den Sowjets einen Nichtangriffspakt für 25 Jahre zu, und außerdem stellt er in Aussicht, wie ersucht, auf Japan einzuwirken. Wiederum bemerkenswert ist, daß von Ribbentropp bekundet, daß das Deutsche Reich bereit ist, „die baltischen Staaten gemeinsam mit der Sowjetunion zu garantieren." 215

    Tags darauf, am 17. August, meldet sich der deutsche Botschafter ein zweites Mal bei Molotow und überbringt die Reaktionen aus Berlin. Der sowjetische

    212
    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 50 213
    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 79 214
    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 88 215
    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 75
    Außenminister übergibt seinerseits eine schriftliche formulierte Antwort auf die Fragen, die seit Schulenburgs erster Audienz bei ihm im Räume stehen. In dieser Antwortnote 216
    sind noch einmal die Wünsche nach einem Handels- und Kreditabkommen und einem Nichtangriffspakt genannt. Des weiteren räumt Molotow in diesem Schreiben ein, daß die Sowjetunion infolge der sowjetfeindlichen Haltung Deutschlands gezwungen gewesen sei,
    „ erste Maßnahmen zur Vorbereitung einer Abwehrfront gegen eine mög
    liche Aggression auf die Sowjetunion von Seiten Deutschlands zu ergrei
    fen."
    Damit sind zweifelsohne die vor drei Tagen den Briten und Franzosen vorgeschlagenen Angriffe gegen Ostpreußen und Schlesien gemeint. Der Brief setzt fort:
    „... daß die Sowjetregierung niemals irgendwelche aggressiven Absichten
    gegen Deutschland gehabt hat. ..."
    Statt der bisher stets erwähnten Absicht, den Bestand der Baltenrepubliken gemeinsam mit dem Deutschen Reich zu garantieren, schlägt Molotow nun ein „spezielles Protokoll" vor, „das einen integrierenden Bestandteil des Paktes bildet." „Integrierender Bestandteil" heißt, daß dieses „spezielle Protokoll" mit dem Vertrag, den die deutsche Reichsregierung haben will, zum Paket verschnürt wird. Deutschland – so die Botschaft – bekommt beides oder nichts. Da in dem Schreiben Molotows nichts zum Inhalt dieses Protokolls gesagt wird, fragt von der Schulenburg den russischen Minister sofort nach den diesbezüglichen Wünschen der Sowjetregierung. Molotow gibt dazu keine Antwort, doch – wie man heute weiß, ist aus dem „speziellen Protokoll" schon eine Woche später das „geheime Zusatzprotokoll" geworden, mit dem die deutsche Reichsregierung anerkennt, daß Ostpolen, Bessarabien, Finnland und die Baltenstaaten zur Interessensphäre der Sowjetunion gehören. So haben die Sowjets ihre Nägel für den Hitler-Stalin-Pakt vom 24. August schon eingeschlagen, als sie am gleichen Ort noch mit den Briten und Franzosen über einen Krieg mit Deutschland sprechen.

    Botschafter von der Schulenburg kabelt Molotows Schreiben am frühen Morgen des 18. August an Minister von Ribbentrop, der noch am gleichen Tage seine Antwort schickt. Der deutsche Außenminister schreibt ohne Kenntnis der Wünsche Stalins und in Verkennung des Sinns des „speziellen Protokolls", daß die Reichsregierung mit der „Garantierung der baltischen Staaten" einverstanden ist. 217

    Am 19. August teilen die englische und die französische Regierung der sowjetischen mit, daß sie den zuvor verhandelten französisch-sowjetischen Vertrag aufgrund des Einspruchs der polnischen Regierung nicht unterzeichnen werden. Damit steht Rußlands Seitenwechsel nichts mehr im Weg. Um 16 Uhr wird der deutsche Botschafter erneut ins Außenamt zu Molotow bestellt. Der überreicht ihm

    216
    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 105 217
    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 113
    einen Textentwurf für den Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt. Der Vertragstext enthält noch nicht das Zusatzprotokoll, doch er endet mit dem Satz:
    „Der gegenwärtige Pakt ist nur bei gleichzeitiger Unterzeichnung eines
    besonderen Protokolls über die Punkte, an denen die vertragsschließenden
    218 Teile auf dem Gebiet der auswärtigen Politik interessiert sind, gültig."
    Graf von der Schulenburg übermittelt den Text noch in der gleichen Nacht nach Deutschland. Die „Katze" mit den Baltenländern ist damit nach wie vor nicht „aus dem Sack".

    Nun folgt Zug auf

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