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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Zug. Hitler – in der Danzig-Krise unter Zeitdruck – schaut auf den Nichtangriffspakt mit Stalin, von dem er hofft, daß er die Polen, Briten und Franzosen zu einem Nachgeben beim Danzig-Korridor-Problem bewegt. Er schaut nicht auf das Zusatzprotokoll, von dem er immer noch nicht weiß, was die Sowjets da hinein verpacken werden. Hitler telegraphiert am 20. August mit Stalin und teilt mit, daß er dem Entwurf des Nichtangriffspaktes akzeptiert, und daß er Außenminister von Ribbentrop mit „umfassendster Generalvollmacht" zur Unterzeichnung des Vertrags und zur „Abfassung und Unterzeichnung des Protokolls" entsenden wolle. 219
    Am 21. August dankt Stalin Hitler für das Telegramm und lädt von Ribbentrop für den 23. August nach Moskau ein. 220

    Als Hitler am 22. August bei Salzburg auf dem Obersalzberg die Armee- und Heeresgruppenführer der inzwischen aufmarschierten Wehrmacht informiert, daß er sich nun entschlossen habe, gegen Polen Krieg zu führen, weiß er noch nicht, daß sich Stalin 24 Stunden später von Ribbentrop im Geheimen Zusatzprotokoll große Teile Osteuropas als sowjetische Interessengebiete überschreiben läßt. Noch glaubt Hitler, von Ribbentrop solle in Moskau die Garantie für die drei Baltenstaaten unterschreiben. Er kann zwar ahnen, daß Stalin einen Preis für den Nichtangriffspakt verlangen wird, doch er weiß nicht, daß Rußland sich vier Wochen später selbst zwei Drittel Polens nimmt. Tags darauf, am 23. August, trifft Ribbentrop in Moskau ein. Um 18 Uhr empfangen Stalin und Molotow von Ribbentrop und Graf von der Schulenburg im Kreml. Nach kurzer und höflicher Begrüßung kommt man schnell zur Sache. Der Nichtangriffspakt, auf den man sich bald einigt, entspricht fast ganz dem russischen Entwurf, bis auf den Punkt, daß er für zehn, statt wie von den Sowjets vorgeschlagen fünf Jahre gelten soll. Dann geht es um das von Stalin gewünschte Geheime Zusatzprotokoll. Von Ribbentrop, dem Hitler eine uneingeschränkte Verhandlungsvollmacht mitgegeben hat, ist sich seiner Sache angesichts der Forderungen Stalins nicht ganz sicher. Er bittet gegen 22 Uhr, die Gespräche für kurze Zeit zu unterbrechen, und holt sich telefonisch Hitlers Einverständnis ein. 221

    218
    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 133 219
    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 142 220
    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 159 221
    Maser, Seite 41
    Hitler vor die Wahl gestellt, mit Stalins Rückendeckung seine Handlungsfreiheit in der Danzig-Frage gegenüber Polen, Großbritannien und Frankreich zu erhalten, oder ohne Stalin auf Danzig, die exterritorialen Transitwege und den Schutz der deutschen Minderheit in Polen zu verzichten, akzeptiert die Interessensphären-Grenzen, die der Russe fordert. Hitler, der Stalins Forderungen vorher nicht gekannt hat, entscheidet offensichtlich ohne langes Zögern. Kurz nach Mitternacht, am 24. August, werden der Nichtangriffspakt 222
    und das Geheime Zu
satzprotokoll von Molotow und Ribbentrop unterschrieben. Die entscheidenden
zwei Abschnitte des Zusatzprotokolls lauten:
    „ 1. Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung in den zu den
    baltischen Staaten (Finnland, Estland, Lettland, Litauen) gehörenden
    Gebieten bildet die nördliche Grenze Litauens zugleich die Grenze der
    Interessensphären Deutschlands und der UdSSR. Hierbei wird das In
    teresse Litauens am Wilnaer Gebiet beiderseits anerkannt.
    2. Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung der zum pol nischen Staate gehörenden Gebiete werden die Interessensphären Deutschlands und der UdSSR ungefähr durch die Linie der Flüsse Narew, Weichsel und San abgegrenzt. Die Frage, ob die beiderseitigen Interessen die Erhaltung eines un abhängigen polnischen Staates erwünscht erscheinen lassen und wie dieser Staat abzugrenzen wären, kann endgültig erst im Laufe der wei 223 teren politischen Entwicklung geklärt werden. ..."

    Die deutsch-sowjetische Einigung, so schnell nach dem Scheitern der vorausgegangenen französisch-englisch-sowjetischen Verhandlungen, ist eine Sensation für ganz Europa, ein Schock für Großbritannien und Frankreich und dennoch für Polen kein Anlaß, in der Danzig-Frage auf Deutschland zuzugehen. Die Überraschung ist so groß, weil die Beziehungen zwischen Moskau und Berlin seit dem Ersten Weltkrieg nicht frei von Belastungen und Gegensätzen sind. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist durchaus wechselhaft und das nicht immer nur zu Polens Nachteil. Deutschland verfolgt

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