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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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– vor allem ab 1933 – eine eindeutig antikommunistische Innen- und Außenpolitik. Auf diese Weise steht dem durch Grenzfragen belasteten deutsch-polnischen Verhältnis ein durch Ideologiefragen belastetes deutsch-sowjetisches gegenüber. Doch als Polen sich gegen die Warnung Sowjetrußlands West-Teschen einverleibt, und als es sich gegen den dringenden Wunsch der Deutschen weigert, den Weg zur Rückgliederung Danzigs freizugeben, verletzt es die Interessen beider Nachbarn. Polen verspielt seine bis dahin normal-nachbarlichen Beziehungen wegen zweier kleiner Fleckchen Erde, die beide nicht mal polnisch sind. Es riskiert damit, daß sich die Sowjetunion und Deutschland, die beide Ansprüche auf russisch beziehungsweise deutsch besiedeltes Land an Polen haben, zu Polens Lasten einigen. Und so geschieht es.

    222
    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 228 223
    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 229
    Abb. 12: Nach der Unterzeichnung
Von links: Außenminister v. Ribbentrop, Legationsrat Hencke, Jossif Stalin,
Legationsrat Hilger und Außenminister Molotow

    Der Deutsch-Sowjetische Nichtangriffspakt sichert sowohl Deutschland als auch Rußland zu, daß die jeweils andere Macht im Falle eines Krieges nicht zum Schütze Polens Partei ergreifen wird. Damit ist auch der deutsch-sowjetische Gegensatz kein Schutz mehr für die Polen in der Mitte.

    Das Geheime Zusatzprotokoll spricht nur von Interessensphären. Es bringt nicht zum Ausdruck, daß die Sowjetunion nun Finnland und die Baltenstaaten einkassieren darf. So harsch dies deutsch-sowjetische Geheimabkommen auch später kritisiert wird, es entspricht den Gepflogenheiten jener Zeit. Es ist damals unter allen großen Staaten durchaus üblich, Interessensphären miteinander abzustecken, ohne die Länder in diesen Sphären nach ihrer Meinung zu befragen. So schließen, wie bereits erwähnt, Großbritannien und Italien im April 1938 solch' ein Abkommen: 224
    England gibt Italien „freie Hand" in Abessinien und gegenüber Spanien und läßt sich dafür Handlungsfreiheit in Mitteleuropa garantieren. Auch in den schon beschriebenen britisch-französisch-sowjetischen Verhandlungen im Juli 1939 versuchen die Beteiligten, ihre Sphären abzustecken. Sowohl

    224
    Britisch-Italienisches Abkommen vom 16. April 1938, siehe Churchill-Memoiren, Seite 115

    England und Deutschland, als auch Frankreich, Italien und die Sowjetunion sind sich dabei im klaren, was die Interessensphären in Wirklichkeit bedeuten. Sie sind die Ermächtigung, zu Lasten der kleinen Staaten in den Sphären zu schalten und zu walten.

    Das Geheime Zusatzprotokoll mit der Interessensphären-Grenze quer durch Polen wird dem US-Präsidenten Roosevelt schon tags darauf durch den deutschen Diplomaten Herwarth von Bittenfeld aus Moskau zugespielt. Roosevelt unterläßt es, die Polen schnell davon zu informieren. 225

    Der Vermittlungsversuch des Vatikans

    In der Zeit der vielfältigen Verhandlungen und Koalitionsgespräche, in der die meisten europäischen Staaten zu allererst bemüht sind, sich gut für einen kommenden Krieg zu positionieren, und in der sie alle mit dem Feuer spielen, bleibt der Heilige Stuhl die einzige Autorität ohne eigene territoriale oder hegemoniale Interessen. Papst Pius XII. sieht, daß ein weiterer Krieg in Europa kaum Sieger, dafür aber viele Verlierer unter den christlich-abendländischen Nationen haben wird.

    Polen und Deutschland setzen sich um Gebiete mit deutscher Bevölkerung unter polnischer Hoheit auseinander. England hat in diesem Streit Polens Partei ergriffen. Italien stellt Forderungen an Frankreich nach Dschibuti, Korsika und Nizza. England und Italien haben Differenzen um den Suez-Kanal. Frankreich will Deutschland noch immer nicht aus den Fesseln von Versailles lassen und stellt sich in der Danzig-Frage gegen Deutschland. England gesteht keiner Kontinentalmacht eine Vormachtstellung auf dem Festland zu. Bei soviel Pulverfässern und soviel ausgelegten Lunten kann jeder Funke irgendwo in ganz Europa den Kontinent in kurzer Zeit in Feuer legen.

    In dieser hochbrisanten Lage macht Papst Pius XII. den Versuch, die Streitigkeiten der fünf großen Staaten in einer Fünf-Mächte-Friedenskonferenz zu entschärfen, wenn es geht, sie beizulegen und so den Frieden in Europa zu bewahren. Der Heilige Vater, ein Kirchenoberhaupt mit langer eigener diplomatischer Erfahrung, weiß, daß solche Konferenzen durch Sondierungen bei den Beteiligten vorbereitet werden müssen, wenn sie Erfolg

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