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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Siegerstaaten die Szenarien selbst geschaffen, in denen Hitler später zur Gewalt greift, statt die Probleme mit Geduld und langem Atem anzugehen. Auch die Lektion, daß ihm Geduld und langer Atem allein nicht weiterhelfen, lernt Hitler von den Siegermächten.

    Das Verbot der Reichsverteidigung im Versailler Vertrag, die zugestandene Minimalarmee, die ungeschützte Rheinland-Grenze, die Angriffe der Polen, Franzosen, Litauer und Belgier auf das Reichsgebiet, die Abtrennung deutscher Landesteile entgegen dem Votum der betroffenen Bevölkerung, die Wegnahme der deutschen Kolonien und Auslandsbesitzungen an Geld, Bergbau- und Erdölkonzessionen, die Umkreisung Deutschlands mit einem Netz von Militärverträgen und nicht zuletzt das französische Gerede vom „Flugzeugträger Tschechoslowakei" im Rücken Deutschlands sind die Tagesordnungspunkte, die Hitler für die nächsten Jahre für sein Arbeitspensum hält.

    Der Diktator hat mit der Besetzung der Tschechei und dem ihr aufgezwungenen Protektorat moralisch, menschlich und völkerrechtlich ein Verbrechen an den Tschechen begangen. Die Siegerstaaten, die dies allesamt verurteilen, greifen hier nicht ein, obwohl sie das Recht und die Möglichkeiten dazu hatten. Nach ihrem Nichtstun herrscht wieder Friedenspflicht. Wenn dies nicht so gewesen wäre, hätten auch andere Staaten das Recht gehabt, jederzeit neue Kriege gegen England oder Frankreich zu entfesseln, um dritte Staaten von den ihnen aufgezwungenen Protektoraten zu befreien oder Kriege anzufangen, um alte Rechnungen zu begleichen. Gleiches Recht für alle.

    Trotz dieser Friedenspflicht entzündet sich an Danzig, den exterritorialen Verbindungen nach Ostpreußen und der Behandlung der deutschen Minderheit in Polen sechs Monate danach der Zweite Weltkrieg. Die gegen ihren Willen vom Mutterland getrennte Bevölkerung der Hansestadt Danzig will an Deutschland angeschlossen werden. Die Menschen in Ostpreußen wollen Verkehrswege für den Handel und die Reisen von ihrem eigenen Landesteil in das Hauptgebiet des eigenen Staates zur Verfügung haben, auf denen sie von polnischen Schikanen in Zukunft unabhängig sind. Und die in Westpreußen, Posen und Ost-Oberschlesien verbliebenen Deutschen wollen frei von Drangsal, Diskriminierung und Verfolgung leben. Die Polen ihrerseits wollen keinen Meter uralten polnischen Gebietes und keines ihrer Rechte opfern, und sie erwarten Loyalität von ihren Bürgern deutscher Muttersprache. Das ist der Streitwert, um den es sich im Frühjahr 1939 handelt.

    Hitler ist der subjektiven Ansicht, daß er den Polen bereits sehr weit entgegengegangen ist, als er 1934 die Polenpolitik seiner 16 Vorgängerregierungen verworfen und seither keine Ansprüche mehr auf die Rückgabe von Westpreußen, Posen und Ost-Oberschlesien gestellt hat. Seit dem Dezember 1938 und seinem Teschen-Einverständnis glaubt er außerdem, die deutsch-polnischen Probleme auf der Basis einer Gebietsanerkennung für Westpreußen – Posen – Ost-Oberschlesien gegen Danzig und die exterritorialen Verkehrswege erledigen zu können. Ab dem 24. Dezember 1938 heißt sein Angebot „Anerkennung gegen Danzig plus einen Friedensvertrag für 25 Jahre". Am 5. Januar 1939 bringt Hitler sein Angebot auf eine neue Kurzform: „Danzig kommt zur deutschen Gemeinschaft und bleibt wirtschaftlich bei Polen".

    Zu dieser Zeit, am 26. Januar 1939, und damit noch bevor Hitler seinen Sündenfall mit der Tschechei begeht und einen Kriegsgrund liefert, schüren der französische Außenminister Bonnet und der Ministerpräsident Daladier in der Pariser Nationalversammlung mit ihren Reden die Glut, auf der sich bald der Krieg entzündet:
    „Im Falle eines Krieges werden. ... alle Kräfte Großbritanniens Frank
    reich zur Verfügung stehen und genauso alle Kräfte Frankreichs Großbri
    tannien."
    Und an die Adresse Polens gerichtet:
    „..., daß es gelte, den Forderungen gewisser Nachbarn ein kategorisches
    Nein entgegenzusetzen."
    Daladier und Bonnet wollen keine Danzig-Lösung und keine Aussöhnung zwischen den Deutschen und den Polen. Beide wollen offensichtlich wieder Krieg mit Deutschland.

    Hitler will genauso offensichtlich Danzig und – wenn das geht – keinen Krieg dafür mit Polen; Krieg nur, wenn Polen keine anderen Wege offenläßt. So ist die erste „Führerweisung" vom 24. November 1938 in Bezug auf Danzig zu verstehen, in der Hitler die handstreichartige Besetzung der Stadt aus dem benachbarten Ostpreußen heraus vorbereiten
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