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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Waffenstillstand von 36 Tage hinzunehmen. Die wichtigsten der Forderungen sind:

    1. die Räumung der besetzten Gebiete binnen 15 Tagen,
    2. die Räumung Deutschlands westlich des Rheins mit zusätzlichen Brückenköpfen auf dem Ostufer bei Mainz, Koblenz und Köln,
    3. die einseitige Freilassung der Kriegsgefangenen,
    4. die Annullierung der vorausgegangenen Friedensschlüsse mit den besiegten Staaten Rußland und Rumänien,

    PAAA, Geheime Akten Krieg 1914, R 21882 PAAA, Geheime Akten Krieg 1914, R 21882, Blatt 185
    5. die Ablieferung von großen Mengen von Eisenbahnzügen, Lastwagen und Kriegsmaterial und
    6. die Internierung der deutschen Hochseeflotte im Seegebiet vor Scapa Flow nördlich Schottland. 76
    Mit der Annahme dieser Bedingungen am 11. November 1918 hat Deutschland seine Waffen und Druckmittel aus der Hand gegeben. So ist es bei den nun anstehenden Friedensverhandlungen nicht mehr verhandlungsfähig. Es ist den Siegern ausgeliefert und kann das 14-Punkte-Friedensangebot von Wilson nicht mehr geltend machen. Die Begrenzung des Waffenstillstands auf nur 36 Tage bedeutet außerdem, daß die Sieger zu jeder Verlängerung der Waffenruhe neue Forderungen stellen können.

    Am 18. Januar 1919 beginnt die sogenannte Friedenskonferenz von Versailles bei Paris. Hier beraten allein die Außenminister der 27 Siegerstaaten. Den Vorsitz führt der französische Ministerpräsident Clemenceau. Die „gewählten Volksvertreter" Deutschlands werden trotz des Wilson-Briefes vom 23. Oktober nicht zu den Gesprächen zugelassen. Grundlage der Versailler Beratungen sind auch nicht – wie zunächst von deutscher Seite angenommen – die 14 Punkte Wilsons. Die Sieger unter sich verhandeln einzig und allein über ihre Kriegsziele, also über die Verteilung ihrer Beute. Deutschland muß dabei schwer bluten. Größere als die im Versailler Vertrag verlangten Opfer bleiben Deutschland dabei nur erspart, weil England einen zu großen Machtzuwachs Frankreichs zu verhindern weiß und weil US-Präsident Wilson die Gier der anderen Sieger bremst. Im April 1919 droht die Versailler Siegerkonferenz sogar daran zu scheitern. Marschall Foch verlangt die Gründung eines von Deutschland abgetrennten Rheinstaats. Er fordert, daß die Sieger diesen Staat auf Dauer mit einer internationalen Armee besetzen, zu der die USA ein Kontingent von 100.000 Soldaten stellen sollen 77 . Wilson geht die Flut der Forderungen aus Paris zu weit, er verläßt die Konferenz, reist in die USA zurück und der Kongreß lehnt ab, den Versailler Vertrag zu unterschreiben.

    Auch andere Forderungen sind Deutschland durch den Einspruch Englands und der USA erspart geblieben. Die Polen und die Tschechen haben mehr deutsches Land verlangt, als sie zum Schluß bekommen. Frankreich bietet Holland das Emsland an, doch die Niederländer, die am Krieg nicht teilgenommen haben, bleiben fair und lehnen ab. Sogar ein souveränes Land aus dem Siegerlager gerät fast in die Beute. Es wird verhandelt, ob Luxemburg von Frankreich oder Belgien annektiert wird 78 .

    Am 7. Mai werden die von den 27 Siegern festgelegten Bedingungen erstmals der deutschen Delegation eröffnet. Der Franzose Clemenceau überreicht sie mit

    76
    Vertrags-Ploetz, Seiten 36 f 77
    Nevis, Seite 435
    78
    Nevis, Seite 368
    den Worten: „Die Stunde der Abrechnung ist da". „Abrechnung" statt „gerechter und fairer Verträge", wie Wilson das exakt fünf Monate zuvor verkündet hatte, um das Deutsche Reich zu einem Waffenstillstand zu bewegen. Die Bitte der deutschen Delegierten, den „Vertrag", den sie nun unterschreiben sollen, vorher zu verhandeln, wird abgelehnt. Die Deutschen erreichen mit mehreren schriftlichen Noten lediglich noch die eine oder andere Nachbesserung zu Deutschlands Gunsten. Der Sachverhalt, daß der Vertrag von Versailles diktiert und nicht verhandelt worden ist, wird sein großer Makel bleiben.

    Das Diktat fällt, verglichen mit den europäischen Friedensverträgen des 19. Jahrhunderts, ungewöhnlich hart aus. Um dem Ausmaß ihrer Forderungen den Anschein von Berechtigung zu geben, versteigen sich die Sieger dazu, Deutschland und seinen Kriegsverbündeten die Alleinschuld am Ersten Weltkrieg zuzuschreiben. Der Vertrag verlangt von Deutschland eine große Zahl von Land- und Bevölkerungsabtretungen: Elsaß-Lothringen an Frankreich, die Provinzen Posen und fast ganz Westpreußen sowie das oberschlesische Industriegebiet an Polen, das Memelland an den Völkerbund, das Hultschiner

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