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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Voraussetzung für ein anschließendes „gutes Vertrauensverhältnis". Nach dieser Wilson-Antwort kann die deutsche Reichsregierung davon ausgehen, daß die 14 Punkte Basis eines Friedensschlusses werden sollen. Sie kann außerdem bei Abzug aller Truppen aus den besetzten Gebieten auf ein „gutes Vertrauensverhältnis" hoffen. Dennoch ist ein Waffenstillstand von der Gegenseite damit noch nicht zugesichert. Die Reichsregierung vertraut auf Wilsons Angebot und auf die Bedingungen, zieht ihre Truppen aus Frankreich und aus Belgien ab und beginnt, sie in der Heimat aufzulösen.

    In ihrer Antwortnote beruft sich die deutsche Reichsregierung ein weiteres Mal auf Wilsons 14 Punkte und drückt die Hoffnung aus, daß sich neben den USA auch die anderen Gegnerstaaten daran halte 71 . In den vierzehn Tagen bis November stellt Wilson in zwei Briefen immer neue Forderungen, die die Reichsregierung jedesmal mit einer Note akzeptiert 72 . In seinem Brief vom 23. Oktober zum Beispiel stellt Wilson die Bedingung, daß die USA und ihre Alliierten nur dann mit Deutschland über einen Friedensschluß verhandeln werden, wenn von deutscher Seite zu diesem Zweck gewählte Volksvertreter und keine „militärischen Beherrscher und monarchischen Autokraten" entsendet werden 73 . Wenn Deutschland keine gewählten Volksvertreter sende, so die Bedingung, könne nicht verhandelt werden. Dann müsse Deutschland sich ergeben. Die Reichsregierung sagt die gewählten Volksvertreter zu und schickt sie 1919 nach Versailles. Trotzdem wird der Friede nicht verhandelt. Er wird, was später noch zu schildern ist, diktiert, und das besiegte Deutsche Reich muß sich trotz eingehaltener Bedingungen ergeben.

    In den folgenden Oktoberwochen erfahren Heeresleitung und Regierung aus vielen Presse- und Agentenmeldungen, wie weit die Auffassungen der Briten, Amerikaner und Franzosen über einen Waffenstillstand und den Frieden auseinandergehen. Briten und Franzosen wollen zunächst noch Belgien erobern, doch

    70
    Note der US-Regierung vom 8. Oktober 1918: PAAA Geheime Akten Krieg 1914, R 21872, Blätter
    35 und 36 71
    PAAA, R 21872, Blätter 164 und 165, Note vom 12. Oktober 1918
    72
    Noten vom 14. Oktober, 20. Oktober, 23. und 27. Oktober 1918. Siehe Vertrags-Ploetz, Seiten 32-35 73
    Vertrags-Ploetz, Seite 34
    da sperren sich die Belgier und Amerikaner. Die Franzosen sind darauf erpicht, als Sieger im Elsaß und in Lothringen einzumarschieren, um beide Landesteile nicht im Zuge einer Friedensregelung dank der alliierten Waffenhilfe zu bekommen. Das verhindern Engländer und Amerikaner. Die Franzosen wollen außerdem die Selbstentwaffnung der deutschen Truppen nutzen, um Deutschland mit ihren Truppen zu besetzen 74 . In den USA sind zudem am 5. Oktober noch Wahlen zum Kongreß. Die Gegner Wilsons lehnen dessen Verhandlungsführung mit den Deutschen ab und wollen die 14 Punkte bei einem Wahlsieg annullieren. Um die Deutschen zu beruhigen und auch weiterhin zu einem Frieden zu bewegen, schiebt Wilson am 5. November 1918 folgende Erklärung nach:
    „Die alliierten Regierungen ... erklären ihre Bereitschaft zum Friedens
    schluß mit der deutschen Regierung aufgrund der Friedensbedingungen,
    die in der Ansprache des Präsidenten an den Kongreß vom 8. Januar 1918
    niedergelegt sind." 75
    Damit hat Wilson vorgetäuscht, auch die Regierungen Englands und Frankreichs hätten seine 14 Punkte akzeptiert.

    Wilson sagt also am 5. November 1918, vier Tage vor Beginn der offiziellen Waffenstillstandsverhandlungen, expressis verbis zu, daß die Alliierten auf der Basis der 14 Punkte Frieden schließen wollen. Das kommt völkerrechtlich einem Friedensvorvertrag gleich, der nun durch einen endgültigen Vertrag in Form gegossen werden müßte. Am 9. November 1918 beginnen die Waffenstillstandsverhandlungen im Wald von Compiégne nordöstlich von Paris. Verhandlungsführer auf Seiten der Entente ist nun der Franzose Marschall Foch und nicht mehr der Amerikaner Wilson.

    Inzwischen sind auch die Österreicher, die Ungarn, die Türken und die Bulgaren einen Waffenstillstand mit den Siegern eingegangen, und in Berlin beginnt die Revolution. So ist die Verhandlungsposition der Deutschen denkbar schlecht geworden. Die Delegierten der Entente halten sich nicht an Wilsons 14 Punkte und legen neue Forderungen nach. Die deutsche Delegation kann jetzt nicht mehr damit drohen, die Kämpfe wieder aufzunehmen. So bleibt ihr nur übrig, die erweiterten Forderungen der Gegner für einen

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