Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
Vom Netzwerk:
Emigrantenvereinbarung vom 30. Mai 1918 in Pittsburg (USA) und die Tschecho-Ruthenische Vereinbarung von Cleveland (USA)

    erlassen. Den Slowaken gegenüber erkennen die Tschechen ihr im Exil gegebenes Versprechen von Pittsburgh nicht mehr an und verweigern ihnen das eigene Landesparlament. Auch die Deutschen, die Ungarn und die Polen werden in dieser Hinsicht nicht bedacht. Sie stehen, wie die Slowaken, lediglich unter dem Schutz von Minderheitenartikeln in der Staatsverfassung:
    „Artikel 128.2 Unterschiede in Religion, Glaube, Konfession oder Sprache
    sollen im Rahmen der allgemeinen Gesetze kein Hindernis für irgendeinen
    Bürger der Tschechoslowakei beim Zugang zum öffentlichen Dienst, zu
    Ämtern, zum Zugang zu Würden oder bei der Ausübung jeglichen
    Gewerbes führen.
    Artikel 128.3 Das Recht die Muttersprache zu benutzen.
    Artikel 131 In den Städten und Distrikten mit einer ansehnlichen Anzahl
    von Bürgern, die eine andere als die tschechische Sprache sprechen,
    69
    herrscht Zweisprachigkeit in den Erziehungseinrichtungen."

    Die Sudetendeutschen

    Der Name der Sudetendeutschen leitet sich von ihrer Heimat, den Sudeten ab, wie die Gebirgszüge rund um Böhmen und Mähren bis 1945 heißen. Das Gebiet Böhmens und Mährens wird nach der Völkerwanderung, nach Abzug der germanischen Markomannen, von dem nachrückenden Volk der slawischen Tschechen übernommen. Ab 1204 rufen mehrere Generationen böhmischer Könige deutsche Bauern, Handwerker und Kaufleute zur Aufsiedlung und Entwicklungshilfe in ihr Land, wodurch die Randgebiete Böhmens und Mährens und einige Sprachinseln im Landesinneren deutsch besiedelt werden und es über 700 Jahre bleiben. Die Sudetendeutschen sind dort, wie die Tschechen, während der letzten vier Jahrhunderte Angehörige des Habsburger Reichs. So ist es natürlich, daß sie sich nach der Zerschlagung Österreich-Ungarns zunächst Österreich zugehörig fühlen.

    Mit dem Zerfall der Habsburg-Monarchie scheint das Schicksal der Sudetendeutschen für einen Atemzug lang ungewiß. Die Abgeordneten der Wahlkreise in den geschlossenen deutschen Siedlungsgebieten Böhmens, Nordmährens und Österreichisch-Schlesiens rufen am 29. Oktober 1918 die „Provinz Deutschböhmen" aus und teilen der Wiener Nationalversammlung mit, daß die Provinz ein Teil Deutsch-Österreichs werden soll 70 . Am 21. November leiten sie der amerikanischen Regierung über schwedische Vermittler eine Note zu, in der sie das von Präsident Wilson proklamierte Selbstbestimmungsrecht der Völker auch für sich erbitten 71 .

    Verfassung der Republik Tschechoslowakei vom 29. Februar 1920
ODSUN-Dokumente, Seite 494
ODSUN-Dokumente, Seite 502

    Karte 11: Die Sudetengebiete

    Trotz dieser klaren Voten landen die Sudetendeutschen 1918 durch Gewaltanwendung und 1919 durch den Spruch der Siegermächte im Staat der Tschechen und Slowaken. Zuerst nutzen die Tschechen die Kapitulation des Habsburger und des deutschen Kaiserreichs und besetzen im November 1918 die deutsch besiedelten Gebiete Böhmens, Mährens und Österreichisch Schlesiens bis zu den Kämmen der Gebirge. Bis zum 18. November marschieren tschechische Legionäre in den deutschen Städte Aussig, Karlsbad, Troppau, Komotau und Eger ein, ohne daß die deutschen Bewohner dieser Orte das verhindern können. Am 4. März 1919 kommt es in den genannten Städten zu pro-österreichischen Demonstrationen, mit denen der Anspruch seinen Ausdruck findet, zu Österreich zu gehören. Doch tschechisches Militär schießt in die Demonstrantenmengen. 54 tote und ein paar hundert verletzte Sudetendeutsche kostet dieser Sieg der Tschechen über ihre neue Minderheit. Am 2. Juni 1919 geben die Siegermächte in Saint-Germain ihr Siegel unter diese Annexion der Tschechen. Sie überreichen Österreichs erstem Nachkriegskanzler Dr. Renner die „Friedensbedingungen", mit denen die Sudetenlande der Tschechoslowakei zugeschlagen werden. Dr. Renner läßt nichts unversucht. Am 15. Juni legt er mit einer Note in Saint-Germain Protest ein und beansprucht das von US-Präsident Wilson proklamierte Selbstbestimmungsrecht der Völker auch für die Sudetendeutschen. Er fordert eine Volksabstimmung zur zukünftigen territorialen Zugehörigkeit der umstrittenen Gebiete. Er beruft sich auch auf den Beschluß der freigewählten Abgeordneten Deutsch-Böhmens, daß ihre Wahlkreise Teil Deutsch-Österreichs werden wollen. Doch die USA und Frankreich entscheiden sich gegen die Stimme Englands auf der

Weitere Kostenlose Bücher