Der Krieg, der viele Vaeter gatte
findet ein ergebnisloses Gespräch Henleins mit Ministerpräsident Hodscha zur Frage der deutschen Selbstverwaltung statt. Weitere Gespräche
Benoist-Méchin, Band 6, Seite 59
Die 1935 von der tschechoslowakischen Regierung aufgelösten Parteien sind die Deutschnationale Partei und die Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei
zu dieser Frage lehnt Hodscha danach ab. Im Oktober kommt es im Wahlkampf zu Gemeindewahlen zur offenen Konfrontation zwischen Tschechen und Sudetendeutschen. Henlein, der zu der Zeit noch immer um die Zukunft der Deutschen innerhalb der Tschechoslowakei kämpft, schickt Staatspräsident Beneš nun ein förmliches Ultimatum mit der Aufforderung, die innere Autonomie der Sudetenlande zu erklären. Beneš würdigt Henleins Ultimatum nicht einmal einer Antwort.
Henleins Brief an Beneš gelangt sofort und ohne Henleins Wissen in die Hände der Presse im deutschen Reichsgebiet und wird dort veröffentlicht, ehe er Beneš vorgelegen hat. So entsteht der falsche Eindruck, Henlein arbeite mit dem Deutschen Reich zusammen. Der Führer der Sudetendeutschen kann sich danach von diesem Verdacht auch nicht mehr befreien. Da er bei Hodscha und Beneš kein Gehör gefunden hat und offensichtlich auch nicht finden wird, und da er nun ohnehin als Kollaborateur der Deutschen gilt, richtet Henlein am 19. November
1937 ein schriftliches Ersuchen an Hitler, die deutsche Bevölkerung in der Tschechoslowakei zu unterstützen 79 . Das ist sein erster Hilferuf nach außen, der letzte Schritt vor der offiziellen Bitte, die Sudetengebiete dem Deutschen Reiche anzugliedern.
Die deutsche Einmischung in die tschechische Sudetenkrise
Im Februar 1938 bieten Hodscha und Beneš den Sudetendeutschen Zugeständnisse bei der Pflege und Anerkennung der deutschen Sprache und Kultur an, doch sie verbinden dieses Angebot mit einer scharfen Zurückweisung aller Forderungen nach Autonomie der Nationen innerhalb der Tschechoslowakei. Die Anerkennung der deutschen Sprache und Kultur ist jedoch nur das, was den Sudetendeutschen nach der tschechoslowakischen Verfassung ohnehin schon zugestanden hätte. Die sudetendeutsche Bevölkerung ist nun mit kulturellen Zugeständnissen allein nicht mehr zu gewinnen. Arbeitslosigkeit und materielle Not der in ihren eigenen Gebieten vom tschechischen Staat wirtschaftlich benachteiligten Deutschen verschärfen den Konflikt. Es kommt in Eger (heute Cheb), Reichenberg (heute Liberec), Aussig (heute Usti) und Komotau (heute Chomutov) zu spontanen Demonstrationen der Sudetendeutschen. Die Tschechen reagieren hart mit Polizeieinsätzen, Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Gerichtsverfahren. Die Vielvölker-Krise der Tschechoslowakei ist damit unversehens von einer politischen Auseinandersetzung zum offenen Gewaltkonflikt geworden.
Am 20. Februar 1938 äußert sich Hitler zum ersten Male öffentlich zum Los der Deutschen in der Tschechoslowakei. Er bezieht in einer Reichstagsrede Stellung zur Lage der Deutschen in Österreich und in der Tschechoslowakei und führt dabei unter anderem aus:
ADAP, Serie D, Band II, Dokument 23
Hierbei handelt es sich um die erste – wenn auch nur innerhalb Berlins -jemals vom Fernsehen übertragene Rede
„Allein zwei der an unseren Grenzen liegendenden Staaten umschließen
eine Masse von 10 Millionen Deutschen. Sie waren bis 1866 mit dem deut
schen Gesamtvolk noch in einem staatsrechtlichen Bund vereinigt. ... Sie
sind gegen ihren eigenen Willen durch Friedensverträge an einer Vereini
gung mit dem Reiche verhindert worden ... die staatsrechtliche Trennung
vom Reich kann nicht zu einer volkspolitischen Rechtlosmachung führen.
Das heißt, die allgemeinen Rechte einer völkischen Selbstbestimmung, die
übrigens in den 14 Punkten Wilsons als Voraussetzung zum Waffenstill
standfeierlich uns zugesichert worden sind, können nicht einfach
mißachtet werden deshalb, weil es sich hier um Deutsche handelt. ...
Allein so wie England seine Interessen über einen ganzen Erdkreis hin ver
tritt, so wird auch das heutige Deutschland seine – wenn auch viel be
grenzteren ~ Interessen zu vertreten und zu wahren wissen. Und zu diesen
Interessen des Deutschen Reiches gehört auch der Schutz jener deutschen
Volksgenossen, die aus eigenem nicht in der Lage sind, sich ... das Recht
zu einer allgemeinen menschlichen, politischen und weltanschaulichen
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Freiheit zu sichern. ..."
Bei den erwähnten 10 Millionen Auslandsdeutschen weiß jedermann im Inland und im
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