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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Situation der Tschechoslowakei von schlecht zu schlimm" 117
    . Die Propaganda im Deutschen Reich malt schwarz und heizt die Sudetendeutschen weiter an. Wenn man die Unwahrheiten der deutschen Medien abzieht, bleiben immer noch ein paar standrechtliche Erschießungen und einige hundert Verhaftungen von Angehörigen der deutschen Bevölkerungsgruppe. In Deutschland nimmt man im Gegenzug 150 hier ansässige Tschechen als Geiseln in Haft, um weitere Erschießungen in der Tschechoslowakei zu unterbinden. Sudetenführer Henlein erklärt öffentlich, den Sudetendeutschen bleibe keine andere Wahl, als das eigene Schicksal selber in die Hand zu nehmen und sich zu bewaffnen. Er ruft die wehrfähigen Deutschen in der Tschechoslowakei auf, ein „Sudetendeutsches Freikorps" im Reichsgebiet zu bilden und die Heimat selber zu befreien. Binnen zweier Tage sammeln sich 40.000 junge Männer auf der deutschen Seite. Sie beginnen, von da aus mit Scharmüt

    117
    Formulierung von Henderson, Seite 151

    zeln gegen die an der Grenze stationierten tschechischen Truppen, bis Hitler dieses unterbindet. Aufgeschreckt von den Unruhen in der Tschechoslowakei und um sich vor einem Krieg in Sicherheit zu bringen, verlassen im September 1938 etwa 240.000 Sudetendeutsche ihre Heimat und fliehen in das Deutsche Reich 118 .

    Roosevelts Rettungsversuch

    Kurz vor dem Höhepunkt der Krise, am 19. September, versucht noch die große Macht im Hintergrund, die Tschechoslowakei zu retten. Für Präsident Roosevelt gehört der Vielvölkerstaat der Tschechen und Slowaken zu der von den USA mitgebauten Nachkriegsordnung in Europa, die der Diktator Hitler nicht ohne die Billigung der USA verändern darf. Hier geht es Roosevelt auch um den Führungsanspruch, den er in Europa für die USA erhebt. Der Selbstbestimmungsanspruch der Sudetendeutschen ist gegen diesen Führungsanspruch von geringerer Bedeutung. Der Präsident schlägt dem englischen Botschafter in Washington Sir Lindsay eine Seeblockade gegen Deutschland vor. Amerikanische und britische Seestreitkräfte sollen – so der Vorschlag – Deutschland mit einer Kontinentalsperre von der Nordsee über den Atlantik und das Mittelmeer bis Suez von seinen Überseeimporten abschneiden 119
    und es so zwingen, den Status quo der Sudetendeutschen zu akzeptieren. Roosevelt nimmt dazu in Kauf, das Recht der USA zu brechen. Seeblockaden sind nach dem Völkerrecht Kriegshandlungen, und die USA sind nach eigenem Landesrecht neutral. Der Präsident ist bereit, die USA für den Erhalt der Tschechoslowakei in einen Krieg zu führen.

    Das Einlenken der Tschechen

    Am Mittag des 19. September 1938 wird dem tschechoslowakischen Präsidenten der britisch-französische Vorschlag übergeben, die Sudetengebiete an Deutschland abzutreten. Benes begibt sich mit seinem Kabinett für 30 Stunden auf dem Hradschin 120
    in Klausur. Die Nervosität in Paris und London steigt, da die Entscheidung über Frieden oder Krieg auch für Briten und Franzosen nun bei den Tschechen liegt. Für die tschechische Regierung geht es jedoch nicht allein um Frieden oder Krieg. Es geht für die Tschechen vielmehr um den Bestand eines von ihnen beherrschten Vielvölkerstaats oder dessen Auseinanderfallen.

    Am 20. September, 20 Uhr, übermittelt der tschechische Außenminister Krofta den Botschaftern Englands und Frankreichs die gefaßte Kabinettsentscheidung. Die Regierung der Tschechoslowakei lehnt es ab, die Sudetenlande abzutreten, und bittet die Regierungen in Paris und London, „ihren Standpunkt zu revidieren" 121
    . Doch die Erklärung steht offensichtlich auf sehr schwachen Füßen.

    118
    Henderson, Seite 151
    119
    Bavendamm, Roosevelts Krieg, Seite 129
    120
    Burg und Regierungssitz in Prag
    121
    Documents Brit. Foreign Policy, Third Series, Volume II, Document 987
    Schon zwei Stunden später schwenkt Ministerpräsident Hodscha ein und läßt folgendes Telegramm an die Regierungen in Paris und London übermitteln:
    „Im Einverständnis mit dem Präsidenten der Republik (Beneš) erkläre ich
    folgendes: Wenn ich in dieser Nacht Beneš persönlich erklären würde, daß
    im Falle eines Krieges zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei
    wegen der Sudetendeutschen Frankreich im Hinblick auf seine Vereinba
    rungen mit England nicht eingreifen würde, so würde der Präsident der
    Republik von dieser Erklärung Kenntnis nehmen. Der Ministerpräsident
    (Hodscha) würde dann sofort das Kabinett zusammenrufen, dessen sämt
    liche Mitglieder dann

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