Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
Vom Netzwerk:
Garantien geht, noch einmal aufgegriffen. Die Schreiben der Briten und Franzosen enden mit der Bitte um eine schnelle Antwort, spätestens am 21. September. Das ist in 48 Stunden. Doch Chamberlain ergänzt den Brief an Beneš durch eine Weisung an den englischen Botschafter Newton in Prag, er möge Präsident Beneš darauf hinweisen, daß er seine Antwort „unbedingt heute abend, spätestens aber morgen geben muß" 114
    . Das ist sogar ein Ultimatum ohne Bedenkzeit.

    Chamberlains und Daladiers Entscheidung, die Erhaltung des Friedens in Europa auf diese Weise zu erzwingen, stößt in England und Frankreich auf ein geteiltes Echo. Neben dem Zuspruch alle derer, die Europa einen neuen Krieg ersparen wollen, gibt es in beiden Ländern „Falken", die ungeachtet des desolaten inneren Zustandes des tschechoslowakischen Vielvölkerstaats eher Krieg mit Deutschland führen wollen, als daß sie eine Anschlußlösung zugunsten der Sudetendeutschen akzeptieren. In Frankreich bilden die Minister Mandel, Reynaud, Champetier de Ribes, Campinchi, Zay und de Chappedelaine die „Kriegspartei". Mandel, Reynaud und Champetier drohen für den Fall, daß Daladier dem Anschluß der Sudetengebiete an Deutschland zustimmt, mit Austritt aus dem Kabinett 115
    . Kolonialminister Mandel versteigt sich sogar dazu, Beneš, den Präsidenten der Tschechoslowakei, am 20. September in Prag anzurufen und ihn im Gegensatz zum Brief seines Ministerpräsidenten unverhohlen zum Kriege, ja selbst zur Kriegseröffnung aufzufordern:
    „... Weder Paris noch London haben das Recht, Ihnen Ihre Haltung zu dik
    tieren. Wenn ihr Gebiet verletzt wird, sollten Sie keine Sekunde zögern, den
    Befehl an Ihre Armee zu geben, die Heimat zu verteidigen. ... Wenn Sie in
    der Notwehr den ersten Schuß abgeben, wird der Widerhall in der Welt
    gewaltig sein. Die Kanonen Frankreichs, Großbritanniens und auch Sowjet
    rußlands werden wie von selbst zu schießen beginnen. ... " 116

    In England sind es vor allem Churchill, Vansittart, der außenpolitische Berater der Regierung, und Eden, der Vorgänger des amtierenden Außenministers, die lieber Krieg als „Anschluß" wollen. In gleicher Weise gibt es in Deutschland Fal

    114
    Documents Brit. Foreign Policy, Third Series, Volume II, Document 938 115
    Benoist-Méchin, Band 6, Seite 275
    116
    Benoist-Méchin, Band 6, Seite 276
    ken und Tauben. Der prominenteste Vertreter der Friedenspartei im Reich ist Luftfahrtminister Göring, zugleich Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe. Sein Gegenpol als Falke im Kabinett ist Reichsaußenminister von Ribbentrop.

    Die Vielvölkerkrise der Tschechoslowakei berührt auch andere Staaten in Europa. Ungarn, einst fast ein Jahrtausend Herrscher über die Slowakei, reflektiert auf die Gebiete in der Südslowakei, in denen noch immer fast 750.000 Ungarn leben. Am 22. September fordert die ungarische Regierung von Prag, die ungarische Minderheit in Zukunft in der gleichen Weise zu behandeln, wie die deutsche. Polen fordert das Industriegebiet von Teschen, wo es eine kleine Minderheit an Polen gibt. Polen, das sich eng mit Ungarn verbunden fühlt, setzt sich bei Hitler außerdem für einen Anschluß der Karpato-Ukraine an Ungarn ein, wodurch eine gemeinsame polnisch-ungarische Grenze entstehen würde. Hitler, das sei hier schon einmal erwähnt, bringt bei dieser Gelegenheit bei den Polen erstmals den Wunsch nach einer Gegenleistung an. Es ist der Wunsch nach einem Anschluß der Stadt Danzig und nach einer exterritorialen Autobahnverbindung durch Pomerellen in das vom Reich abgeschnittene Ostpreußen. Am 21. September meldet die polnische Regierung ihre Gebietsforderungen in drei Noten in Prag, Paris und London an. Der nächste Staat mit Ambitionen ist das Königreich Italien. Es ist zwar nicht Nachbar aber Interessent. Es will eine Rolle als Schutzmacht Ungarns und als Vormacht im Raum der Donauländer spielen. „Duce" Mussolini verlangt eine Volksabstimmung für alle Minderheiten in der Tschechoslowakei, doch er mahnt zum Frieden und fordert – ganz im Sinne Hitlers – einen Krieg, wenn er denn gar nicht zu vermeiden sei, auf den Konfliktherd zu begrenzen. Mussolini sagt zu der Zeit mehrmals in öffentlichen Reden, daß Italien in einem Krieg um die Tschechoslowakei so lange neutral bleiben werde, wie sich auch Großbritannien aus ihm heraushalte.

    Während die englische und die französische Regierung nach einer Lösung ohne Blutvergießen suchen, „entwickelt sich die innere

Weitere Kostenlose Bücher