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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Unterzeichnung des deutsch-französischen Vertrages am 6. und 7. Dezember
    1938 Gespräche über politische Themen, die für beide Seiten von Interesse sind: die Gebietsforderungen Italiens an Frankreich, die noch ausstehende Garantieerklärung Deutschlands für die neuen Grenzen der Tschechoslowakei, die französisch-sowjetischen Beziehungen und anderes mehr. Von besonderem Inter-esse ist dabei der Meinungsaustausch über die französischen Militärverträge mit den Staaten Osteuropas hinter Deutschlands Rücken. Von Ribbentrop bezeichnet Frankreichs Vertragssystem als „ärgerliches Überbleibsel französischer Einkreisungspolitik" 165
    . Er hört aus Bonnets Entgegnungen heraus, daß Frankreich sich von Deutschland einen mäßigenden Einfluß auf Italien mit dessen Gebietsansprüchen verspricht, und daß es Deutschland dafür „freie Hand in Osteuropa" läßt. Hier hat der deutsche Außenminister etwas gehört oder herausgehört, was Bonnet später nicht bestätigt. Von Ribbentrop berichtet seinen Mitarbeitern wiederholte Male, daß Bonnet ihm dieses angedeutet habe. Der bei den Gesprächen in Paris übersetzende Chefdolmetscher des Auswärtigen Amts Dr. Paul Otto Schmidt zum Beispiel berichtet dem Pressechef des Amts Dr. Paul Karl Schmidt schon auf der Rückfahrt nach Berlin über das Gespräch der zwei Minister:
    „Die osteuropäischen Fragen wurden mit harten Bandagen ausgetragen.
    Der Chef hat den guten Bonnet ziemlich betrommelt, und der hat sich
    schließlich in den Clinch gerettet. Wenn wir für die Franzosen die
    Italiener zügeln, wird Paris wahrscheinlich in der Danzigfrage die Polen
    166
    nicht ermutigen, hartnäckig zu sein."
    Von Ribbentrops Eindruck oder Irrtum hatte sich offensichtlich schon vor der Pariser Konferenz gebildet. Am 20. November, also gut zwei Wochen vorher, tritt der neue französische Botschafter Coulondre seinen Dienst in Deutschland an. Über das Gespräch des neuen Botschafters bei seinem Antrittsbesuch beim deutschen Außenminister schreibt der anwesende Chefdolmetscher Schmidt als Aufzeichnung:
    „Ribbentrop: eine Verständigung ist möglich, wenn sich die ... europäischen
    Staaten auf ihre wirklichen Interessen beschränken, so Frankreich
    auf sein großes Kolonialreich, England auf sein Empire und

    165
    Bonnet, Seite 135
    166
    Paul Karl Schmidt, Seite 29. Der Chefdolmetscher Dr. Paul Otto Schmidt hat das zitierte Gespräch in einem Buch 1952, also 14 Jahre später, anders wieder gegeben.
    Deutschland auf seine eigentliche Interessensphäre, nämlich den
    Südosten Europas.
    Coulondre: sagte, daß er die Frage genauso sehe". 167

    Daß der französische Außenminister Bonnet und sein Botschafter Coulondre in Berlin dies im November 1938 so sehen und Deutschland freie Hand im Osten lassen wollen, läßt sich auch aus den Memoiren des damaligen französischen Botschafters in Warschau Noel entnehmen. Noel beschreibt, daß Bonnet zu der Zeit drauf und dran ist, die französischen Beistandspakte mit Polen und mit der Sowjetunion zu lösen 168
    . Dies ist ein ziemlich sicheres Indiz dafür, daß Frankreich während einer kurzen Zeit Deutschland wirklich freie Hand in Osteuropa lassen will. Doch schon im Januar 1939, beim Besuch des deutschen Außenministers von Ribbentrop in Warschau und bei dem Versuch, die Danzig-Frage auf dem Verhandlungsweg zu lösen, mischt sich Frankreich wieder ein.

    Zusagen der „freien Hand" sind ansonsten zu der Zeit nicht selten. Im gleichen Jahr 1938 schließen zum Beispiel Italien und England ein solches Abkommen 169
    . England gibt Italien darin „freie Hand" in Abessinien und gegenüber Spanien und läßt sich dafür Handlungsfreiheit in Mitteleuropa zusichern. 1935 hatten sich auch Frankreich und Italien im geheimen Zusatzabkommen zu den Römischen Verträgen „freie Hand" für ganz bestimmte ihrer Interessen zugestanden.

    Es ist auch nicht auszuschließen, daß von Ribbentrop sich nicht geirrt hat, und daß Frankreichs Minister und Diplomaten die „freie Hand" erst angedeutet und dann geleugnet haben. Immerhin hatten sie für Deutschlands Einfluß gegen die Gebietsansprüche Italiens ja irgend etwas bieten müssen. Ob Wahrheit oder Mißverständnis oder Irrtum, der Gedanke hat sich bei von Ribbentrop so festgesetzt, daß er daraus die falschen Schlüsse zieht und Hitler in der Folgezeit dementsprechend falsch berät. Im Fall der Tschechei nur drei Monate danach und im Falle Polens neun Monate später sagt von Ribbentrop dem „Führer" in

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